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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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vertrieb zumindest einen Teil des Unbehagens. Sie hätten Laut gegeben, wenn sich ein Räuber näherte.
    Sinan reichte ihm mit einem Lachen den Branntwein. »Hier, trink. Das macht dich ruhiger.« Er zog sein Essen aus dem Feuer und pustete, bevor er das Fleisch vom Stöckchen nagte. »Bald sind wir wieder zu Hause, und du darfst dich bei deinem Weib austoben«, meinte er mit vollem Mund. »Ich weiß, wie das ist,so lange ohne einen schönen warmen Körper zu sein. Ich freue mich, wenn wir die Schafe zurück in den Stall treiben dürfen.«
    »Ja. Ich vermisse meine Frau.« Goran kostete von dem Alkohol, leckte sich die Lippen und biss in sein geröstetes Brot. Doch er fühlte sich beobachtet, als habe der Wald in seinem Rücken Augen. Er rückte um die Feuerstelle herum, lehnte sich an das kleine Wagenrad und betrachtete die Bäume. Dünner Nebel kroch zwischen ihnen empor, auch von der Wiese stiegen die ersten Schleier auf.
    »Der Herbst hat uns seine ersten Boten gesandt«, sagte Sinan. »Ist das nicht herrlich anzuschauen?«
    Goran fand es nicht herrlich. Er pfiff eine schnelle Tonfolge, und sofort sprangen die Hunde auf, um den Befehlen zu gehorchen. Bald darauf drängte sich die Schafherde dichter um den kleinen Wagen und umgab die Männer wie ein wollenes Meer.
    Sinan verfolgte das Geschehen, ohne etwas von sich zu geben. Er hatte Goran vom ersten Tag an, als man ihn ihm zur Unterstützung mitgegeben hatte, für einen ängstlichen Menschen gehalten, der in allem Omen sah und sich vor Upiren fürchtete, als gäbe es sie hinter jedem Mauervorsprung. »Denkst du, dass der Nebel unsere Schafe fressen möchte?«, sagte er schließlich etwas spöttisch.
    »Du hast die Nachrichten von dem Upir gehört, der den Menschen die Kehle mit einem Biss herausreißt«, erwiderte Goran etwas zu laut und hart. Es tat ihm nicht leid, dass er den Mann anfuhr, der sich hauptsächlich für Würste und Branntwein interessierte. Ohne die Hunde wäre ihm die Herde schon lange davongelaufen.
    »Ja. Einer der rothaarigen Bastarde.«
    »Ein Kind des Judas«, verbesserte Goran und bekreuzigte sich.
    »Aber dann hat er wohl die drei Kreuze auf der Stirn der Opfer vergessen, wie sie es sonst tun. Ich denke eher, dass es malwieder Straßenräuber sind, die ihre Taten vor der Obrigkeit verbergen wollen. Es gibt immer wieder Narren, die auf solche Finten hereinfallen.«
    »Na, die Wunden …«
    »Eben!« Sinan spießte eine zweite Wurst auf und hielt sie über die zuckenden Flämmchen. »Niemals würde ein Kind des Judas seinem Opfer noch weitere Wunden zufügen. Ein Biss in die Kehle, sie wird herausgerissen und aus. Aber das, was ich gehört habe, klang nach einem Gemetzel.«
    Goran dachte über die Worte nach und musste eingestehen, dass sein Kamerad recht hatte. Keine der Wunden passte zu dem bekannten Verhalten der Judaskinder, und wenn nicht die gewaltigen Zahnabdrücke gewesen wären, hätte er niemals angenommen, dass es sich um einen dieser Upire handeln würde. Wieder sah er zum Unterholz, wo sich die Schatten zu Schwärze vereinigten und es ihm unmöglich machten, etwas zu erkennen.
    »Es werden wirklich Räuber gewesen sein.« Er ließ sich schließlich auf die Erklärung ein, schon allein, um sich selbst etwas von der Angst zu nehmen.
    »Und sie werden bald von einem Kind des Judas Besuch bekommen, da wette ich drauf«, fügte Sinan ruhig hinzu. »Sie werden es sich nicht bieten lassen, dass man sie nachahmt.« Er malte drei große X in die Luft. »Isst du dein Brot noch?«
    »Ja, natürlich.« Schnell schob er es sich in den Mund, ehe der andere danach greifen konnte. »Es gab sie schon immer, erzählte mir meine Großmutter.« Goran warf ein Scheit ins Feuer, damit die Flammen in die Höhe stiegen. Er bemerkte, dass die Schafe, die normalerweise Abstand zum Feuer hielten, keinerlei Anstalten machten, sich in die immer rascher vordringende Finsternis zu begeben. Den Tieren erging es ebenso wie ihm. Er schob es darauf, dass sowohl die Schafe als auch er nicht genügend Branntwein gesoffen hatten, so wie Sinan, und sich vorder Dunkelheit fürchteten. Er wünschte sich in eine sichere, feste Hütte, an der er die Fensterläden schließen und die Tür mit einem dicken Balken verriegeln konnte.
    Sinan lachte. »Ja, diese Geschichte erzählt jede Großmutter. Mir sind sie gleich.« Er stand auf und machte ein paar Schritte weg vom Lagerfeuer; blökend wichen ihm die Schafe aus, und er ging hinter den Karren. »Ich muss mich in die

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