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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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sie begeistert von der bevorstehenden Aufgabe. Der Übersetzer lud das Gepäck rasch um und blieb zurück; es war kein Platz mehr.
    »Sei Er unbesorgt. Wir verstehen die Menschen.« Glaser musterte Viktor. »Er sieht aus wie ein Edelmann, trägt einen Mantel wie ein Franzose und klingt wie ein Deutscher. Eine merkwürdige Mischung.«
    »Ich bin Kaufmann, Herr Glaser. Ich suche Pelztiere, um ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen. Obwohl … so ein Vampir-Fell würde sicherlich mehr einbringen.«
    »Aberglaube, wenn Er mich fragt.« Der Medicus nickte dem Kutscher zu, der die Peitsche schwang und die Pferde antraben ließ. »Ich habe noch niemals einen leibhaftigen Vampir zu Gesichtbekommen, und ich bin bereit, meine Lieblingsflasche Branntwein zu verwetten, dass es so bleibt.«
    »Angenommen, Herr Glaser«, sagte Viktor trotzig. Er war beinahe beleidigt, dass ihm nun auch dieser Säufer die Vampire ausreden wollte. Die Worte Cabreras hatten ihn zu viel Hoffnung schöpfen lassen, diesen Wesenheiten tatsächlich zu begegnen.
    »Sehe Er: Immer, wenn in einem Kaff eine nicht unbedeutende Zahl von Menschen in kurzem Abstand nacheinander das Zeitliche segnen, schreien die Einfältigen, dass es das Werk von Vampiren gewesen sei«, ereiferte sich Glaser, nahm eine Flasche unter der Decke hervor und setzte sie an die Lippen. Die goldene Flüssigkeit darin wies einige Bröckchen auf, und Viktor lehnte den angebotenen Trunk ab. »Dass sie sich vorher die Seele aus dem Leib geschissen oder gehustet haben, vergessen sie zu erwähnen. Typhus und Katarrh, so heißen die Vampire in Medvegia. Er wird es sehen, der Herr Kaufmann. So war es bislang immer.« Er nahm einen weiteren Schluck, und als die Offiziere ebenfalls abgelehnt hatten, verkorkte er die Flasche wieder und packte sie weg.
    Viktor sagte nichts. Er würde sich die Vampire so schnell nicht ausreden lassen.
     
    Sie erreichten das Dorf Medvegia gegen Abend. Glaser, Viktor und die Offiziere bezogen ihr Quartier beim Popen, Vater Ignaz, einem Mann in schwarzer Kutte mit einem langen braunen Bart und einem Kreuz um den Hals.
    Es war ein annehmbares, wenn auch sehr kleines Haus ohne eine Zwischenetage. Im Gebälk baumelten geräucherte Schinken und andere Lebensmittel, die mit Ketten und Stricken hochgebunden waren; es roch nach Rauch, die Wände hatten den Qualm des Feuers aufgenommen. Regale, Schränke, eine Eckbank mit einem großen Tisch, eine Kochnische und einübergroßes Bett beengten den Raum. Neben dem Herd stand ein uralter Sessel, überall hingen Ikonen und Kreuze. Viktor war schleierhaft, wie die ganze Delegation hier Unterkunft finden sollte.
    Vater Ignaz freute sich sehr über die Anwesenheit der Offiziellen und redete unaufhörlich auf sie ein. Glaser ließ einen Offizier übersetzen und machte in sehr drastischen, beinahe unflätigen Worten deutlich, dass er nichts von dem Gerede über Vampire hielt. Noch vor Einbruch der Nacht begann er mit der Untersuchung der Menschen und forschte nach ansteckenden Krankheiten, die er weiterhin als Grund für das Sterben im Dorf ansah.
    Viktor ließ seine Sachen im Haus zurück und schlenderte durch die verschneiten Straßen. Medvegia war eine von vielen Siedlungen entlang des Flusses Morava. Alte Fachwerkhäuser mit sich durchbiegendem Gebälk und schiefe Hütten standen aneinandergedrängt, Nebelschleier stiegen vom nahen Gewässer auf und waberten umher; sie rangen mit dem grauen Rauch der Holzfeuer, der aus den Schloten stieg, um die Vorherrschaft in der Luft.
    Es reizte Victor, mit Glaser auf die Suche zu gehen, doch er hielt sich zurück und ließ den Medicus zunächst seine Arbeit machen, auch wenn ihm tausend Fragen auf der Zunge lagen, die er den Menschen gerne gestellt hätte. Er war lediglich geduldet, nicht Teil der Delegation.
    Viktor sah die überwiegend doppelbalkigen Kreuze, die mit Pech an die Eingangstüren und über den Fenstern aufgemalt worden waren; woanders lagen getrocknete, holzige Dornenranken vor dem Glas und blockierten die Sicht. Kein Einbrecher käme durch diese Sperre. An einem Scheunengiebel entdeckte er eine tote Eule, die man mit ausgebreiteten Schwingen an das Holz genagelt hatte.
    Für ihn ließen diese Zeichen keinerlei Zweifel daran, wie sehrsich die Bewohner vor den Vampiren fürchteten. Zudem fühlte er sich unentwegt beobachtet, obgleich er niemanden entdecken konnte. Rauch und Nebel gewährten den unsichtbaren Verfolgern Deckung. Viktor interpretierte es als Scheu der Menschen vor

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