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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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wusstest du nicht, wie recht du hattest, Marek«, fiel sie ihm ungerührt in die Rede. »Die Schriften über die Kinder des Judas, die er mir hinterließ, beinhalten mehr, als du erahnst. Mehr, als die Cognatio erahnt.«
    Er richtete seine beinahe violettfarbenen Augen auf sie. »Das also ist der Grund, warum du dich mehr und mehr zurückziehst?«
    »Es ist
einer
von vielen. Ich habe mehr Feinde als Freunde in der Cognatio, und das aufgesetzte Einvernehmen taugt nichts. Lydia ist mein einziger Halt.« Sie sah ihn rasch an. »Doch mir ist nicht entgangen, dass auch du niemals verrätst, welche Fortschritte deine Experimente machen. Du täuschst genauso wie die übrigen.«
    Marek biss die Zähne zusammen. »Das liegt daran, dass ich keine mache. Ich … ich kann mich in der letzten Zeit nicht daraufkonzentrieren, mein Herz und meine Seele hängen nicht mehr an der Wissenschaft, wie du sehr wohl weißt.«
    »So?« Scylla blieb stehen und sah ihm ins Gesicht. »
Dir
könnte ich das sogar glauben, aber den übrigen zehn Baroninnen und Baronen sicherlich nicht.«
    Er packte sie am Arm. »Zeig dich dankbar, Scylla!«, herrschte er sie leise an.
    Sie grinste. »Wem gegenüber? Ihnen, weil sie mich aufnahmen? Oder dir, weil deine Intrigen mich auf den Stuhl brachten?« Innerlich hatte sie schon lange mit der Cognatio gebrochen, und mit jedem weiteren Satz aus der Hinterlassenschaft ihres Vaters, den sie entschlüsseln konnte, wuchs die Kluft.
    Noch hielt sie den Frieden aufrecht, schon allein wegen Lydia. Sie war eine gute Freundin und würde sicherlich in Bedrängnis geraten, wenn Scylla ihre Eigenwilligkeiten weiter auslebte. Das durfte nicht sein.
    »Es ist dein Wunsch, die Cognatio zu verlassen? Ein gefährliches Unterfangen«, sagte er ihr auf den Kopf zu. Scylla erstarrte. »Ich kenne dich sehr gut, es ist mir ein Leichtes, in deinen Gedanken zu lesen.« Er stellte sich vor sie. »Du weißt, dass man der Cognatio nicht einfach den Rücken kehren darf. Wer den Rang eines Barons für sich beansprucht, geht eine Verpflichtung ein, die nur durch den Tod beendet werden kann. So lauten die Gesetze.«
    Sie setzte zu einer schneidenden Antwort an, dann überlegte sie es sich anders. »Wir sind doch schon tot, Marek«, gab sie nachdenklich zurück.
    »Stell dich nicht dumm.«
    Scylla hob den Kopf. »Das tue ich nicht. Doch du scheinst es manchmal von mir anzunehmen.« Es drängte sie, eines der Geheimnisse zu offenbaren, die sie aufgedeckt hatte, und als ein Lichtstrahl auf sein fahles Gesicht fiel und die Wangenpartie betonte, die sie inzwischen so sehr an einen anderen Mannerinnerte, verließ sie der Mut. Es war noch zu früh. Es gab noch so viel zu übersetzen. »Es ist besser, wenn wir unterschiedliche Wege benutzen. Auf diese Weise können wir mehr vom Dorf überwachen«, bestimmte sie und wandte sich nach rechts. »Wir treffen uns vor Sonnenaufgang in der alten Gehöftruine eine Meile von hier.«
    »Nicht in der Mühle?«
    »Nein. Die Fahrt dauert mir zu lange, und ich möchte in der Nähe sein. Morgen ist auch noch eine Nacht, in der die Upire auf die Jagd gehen.« Sie bog um die Kurve, um seinen Blicken und seinen Fragen zu entgehen – und merkte, wie sie automatisch einen Weg zurück zu ihrem Ausgangspunkt einschlug. Das Haus, in dem der Deutsche schlief, zog sie magisch an.
    Scylla bat Gott um Beistand, damit er ihr einen Weg aufzeigte. Der junge Deutsche traf ihren Geschmack, das war auch Marek sicher nicht verborgen geblieben. Es würde ihm eine Freude sein, von Schwarzhagen allein schon deswegen zu töten, also musste sie vorsichtig sein.
    Ihre Gedanken wurden unterbrochen.
    Scylla sah einen Schatten über die Straße eilen und auf die Behausung des Popen zurennen. Die Geschwindigkeit lag weit über der eines Menschen, und daher konnte es sich nur um einen der Upire handeln. Scylla nahm die Verfolgung auf. Sie sah den Upir als schwarze Silhouette vor der Tür. Er drückte die Klinke nach unten und schob sich ins Innere. Ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen, schlüpfte auch sie durch den schmalen Spalt ins Haus des Popen. Scylla sah, dass es sich bei dem Upir um eine junge Frau handelte, an deren Hals noch blaue Flecken von Würgemalen zu erkennen waren. Sie hatte die Abdrücke als Andenken an ihre Heimsuchung behalten. Sie trug ein Totenhemd, der Blick war verklärt und abwesend, als hätte sie Opium zu sich genommen; ihre Augenhatten sich auf die vielen Ikonen gerichtet, die dieses priesterliche

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