Kinder des Judas
doch
wir
befehligen den Elementen!«
»Es gibt genügend von ihnen, die mehr als das können«, hielt Scylla dagegen. »Die Viesczy, die Tenjac, die Murony heben sich ebenso von denen ab wie wir. Aber dennoch sind wir in einer Sache gleich, Lydia.« Sie zog den Ärmel in die Höhe und wies ihrer Freundin das Feuermal. »
Dies
ist mehr, als es scheint. Es ist das Zeichen des Dämons, mit dem Kasparzek seinen Pakt einging, um länger als jeder Mensch leben zu können.« Sie wusste, dass Lydia ein beinahe identisches Mal auf der Innenseite des rechten Oberschenkels trug. »Ich verwette meine Mühle darauf, dass jeder in der Cognatio eine solche Markierung an sich trägt.«
»Gebrandmarkt von einem
Dämon?
«, sagte die Baronin abwesend. »In den Schriften der Cognatio heißt es, dieser eine Makel, den jedes wahre Kind des Judas an seinem perfekten Leib tragen muss, ist die Erinnerung an den Verrat, den unser Urvater beging, um dem Christus zu dienen. Aber nun sagst du mir, dass dies kein göttliches Geschenk ist, sondern … sondern das Erbe unseres düsteren Lehnsherrn?«
Scylla nickte. »Wir gehören ihm, und unsere Seele fällt nach unserer endgültigen Vernichtung an ihn, so steht es in den Aufzeichnungen meines Vaters.« Scylla sah, wie erschüttert Lydia war. Sie hatte nichts davon gewusst. »Kasparzek stellte einen eigenen Codex auf und begründete die Kinder des Judas.
Dieser Codex
macht uns einzigartig, aber mehr nicht.« Sie ließ die Finger der Freundin los und hielt ihr die Blätter hin. »Lies selbst, wenn du mir nicht glaubst.«
»Ich glaube dir, Scylla. Dein Vater hat mir gegenüber einmal etwas angedeutet«, gab Lydia schwach zurück. »Doch was …«
»Kasparzek erdachte sich dies alles, um seine Nachkommen von den übrigen Upiren abzuheben. Sie sollten nicht zu Bestien werden, sondern sich an Regeln halten und ihre Mordgier zähmen, damit sie Forschungen betreiben können. Nicht zuletzt ging es ihm darum, die eigene Macht und die der Kinder des Judas über Jahrhunderte hinweg zu festigen, während die Upire um sie herum vergingen und vergessen wurden.«
Lydia legte die Hand auf den Mund und schaute abwechselnd zwischen den Notizen und Scylla hin und her. »Die roten Haare?«
»Es gehört zu dem Pakt mit dem Dämon. Kasparzek wollte sich und seine Nachkommen auch äußerlich von den Upiren abheben.« Scylla stand auf. Es hielt sie nicht länger auf ihrem Platz, und sie wanderte hinter dem Schreibtisch auf und nieder. »Mein Vater fand heraus, dass der Dämon Kasparzek lediglich einhundert zusätzliche Jahre gewährt hatte, und so begann er mit der Suche nach lebensverlängernden alchemistischen Essenzen.« Sie blieb stehen und suchte den Blick der Baronin. »Wir sind
sterblich
, Lydia. Es kann keine Rede von Ewigkeit sein. Aeterna?« Sie stieß ein Lachen aus. »Davon sind wir weit entfernt! Wir geben vor, nach dem Heil für die Menschheit zu suchen und sie von dem Stachel des Alterns erlösen zu wollen.Aber die Menschen sind nichts weiter als unsere Versuchstiere. In Wirklichkeit sucht die Cognatio nach einem Mittel, das uns vor dem Tod und der Hölle bewahrt.« Sie senkte den Kopf. »Denn dahin werden wir fahren, Liebste. In die Hölle. Zu unserem
wahren
Schöpfer.«
Lydia schwieg und starrte in ihren Wein, bis sie das Glas ruckartig an die Lippen führte und es in einem Schluck leerte.
»Wie viele … wie viele von uns, meinst du, wissen um diese grausame Wahrheit?«
»Ich weiß es nicht.«
Scylla setzte sich. »Vater hatte nicht mehr die Gelegenheit, mich einzuweihen, und Marek überließ es mir, selbst hinter das Geheimnis zu kommen. Er ist mit seinem Leben und den Abläufen in der Cognatio zufrieden, nehme ich an. Er vertraut darauf, dass ein Mittel gefunden wird, um wirklich ewig leben zu können.«
»Ich weiß«, meinte Lydia leise und stellte das Gefäß auf das Tablett. »Karol hat mich zu einem gewissen Teil in seine Nachforschungen eingeweiht, doch der ganze Umfang der Lüge über unsere Herkunft war mir nicht bekannt.« Sie legte die Blätter zurück. »Es soll eine uralte Formel geben, die Judas von einem weisen Mann erhalten hat, eine Rezeptur für jenes Elixier, das ewiges Leben schenkt. Sie ging jedoch durch viele Hände, wurde geraubt, gefälscht, abgeschrieben, so dass sie völlig verändert wurde.«
Scylla nickte. »Mein Vater notierte auch dazu etwas. Ich denke, dass manche in der Cognatio Teile der Formel kennen, doch niemand weiß, wie man das Elixier richtig
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