Kinder des Judas
Zeltwand; gleich danach kräuselte grauer Rauch auf.
Alle waren aufgesprungen und eilten hinaus. Viktor bemerkte, dass Männer wie Frauen Messer in den Händen hielten.
Hinkend folgte er ihnen und sah, dass sich auf dem Weg vor dem Lager eine Schar von acht Leuten eingefunden hatte, die jeweils zu zweit auf sattellosen Pferden ritten; der farbenfrohen Kleidung und dem Äußeren nach, das sehr Libors und seiner Sippe glich, handelte es sich um Zingaros. An den Gesichtern las Viktor ab, dass wenig Freude über das Zusammentreffen herrschte. »Was …?«
Libor hob die Hand. »Nicht jetzt, Niemez«, unterbrach er ihn, trat nach vorne und redete laut und drohend. Einige Frauen löschten unterdessen die kleinen Flammen im Lager. Die Neuankömmlinge hatten sie mit Fackeln beworfen, aber nichts war stark beschädigt worden; nur die Plane hatte unter dem Schwelbrand gelitten.
Auf Libors Rede hin nickte einer der Fremden zu dem Paar auf dem Pferd neben sich, und der hintere Reiter sprang auf den Boden. Dabei zog er eine unterarmlange Klinge.
Viktor legte eine Hand unter den Mantel an den Knauf seiner Pistole, um auf alles vorbereitet zu sein. Er vermutete, dass es sich um eine Familienstreitigkeit handelte. Gebannt verfolgteer, wie Libor über die Wagendeichsel stieg und dem Gegner gegenübertrat.
Libor und der fremde Zingaro umkreisten sich vornübergebeugt, und nach einem kurzen Innehalten begann der Kampf.
Viktor kannte diese Art von Duell nicht, das aus schnellen, ruckartigen Stichen und Schnittbewegungen bestand. Dabei waren sich die Männer stets unglaublich nah, wobei sie dennoch auf Tritte oder Schläge verzichteten. Einzig die Schneiden dienten als Waffen. Es war ihm schleierhaft, wie sie im zuckenden Feuerschein überhaupt erkennen konnten, wohin die Angriffe des Gegners zielten. Immer wieder klirrte es, wenn Metall auf Metall stieß, und mit einem schabenden Geräusch rutschten die Klingen voneinander ab.
Die entscheidende Attacke sah Viktor nicht einmal. Letztlich stieß der fremde Zingaro einen hohen Schrei aus und stürzte verletzt zu Boden, wo er liegen blieb.
Libor wandte sich um, und von seinem rotgefärbten Messer rann Blut. Er selbst hatte Wunden an den Unterarmen hinnehmen müssen, und seine Kiefer pressten sich aufeinander. Er litt gehörige Schmerzen. »Wir sind diejenigen, die sich morgen um den Vampir kümmern«, rief er. »Die Sache ist ausgetragen.«
Viktor sah zum Verlierer, der sich ächzend erhob und mit der linken Hand die rechte Brust hielt, zwischen den Fingern ergoss sich ein roter Strom auf seine Kleidung und von dort in den aufgewühlten Schnee. Der andere Arm mit dem Messer erhob sich und holte zum Wurf aus.
Ebenso geschwind hatte Viktor seine Pistole gezogen und richtete die Mündung auf den fremden Zingaro, der sich durch die stumme Drohung aber nicht beeindrucken ließ.
»Was tun Sie, Niemez?« Libor wandte sich zu dem Mann um.
Viktor drückte ab, bevor das Messer geworfen werden konnte. Die Kugel schlug knapp neben der linken Hand des Verletzten ein und zerriss das Herz, trat auf dem Rücken aus undbesprengte die Pferde und die Reiter dahinter mit Blut; wiehernd stiegen die erschrockenen Tiere auf die Hinterhand oder sprangen zur Seite. Drei Männer vermochten sich nicht zu halten und stürzten auf den Boden.
»Dir beistehen.« Viktor lud nach, spannte den Hahn und richtete die Waffe auf die Gruppe der Fremden. »Ich halte nichts davon, dass der Verlierer eines Duells sich unrechtmäßig zum Sieger machen möchte.«
Libor schrie die Fremden an, die ihren Toten aufluden und sich im Galopp vom Lager entfernten. Der Mann, den Viktor als den Anführer betrachtete, zügelte einige Schritte entfernt sein Pferd, warf ihm einen hasserfüllten Blick zu, dann rief er ihm etwas zu und deutete auf die Kehle. Die Geste war unmissverständlich.
»Versuch es. Ich habe mehr Duelle überstanden als du.« Viktor drückte ab, hatte aber absichtlich zu hoch gezielt. Ein Toter reichte für diese Nacht.
Der Warnschuss genügte. Der Mann zog fluchend den Kopf ein und warf sein Pferd herum, um es mit Tritten in die Seite anzutreiben.
»Es erweist sich also doch als Glück, Sie mitgenommen zu haben, Niemez.« Libor kam auf ihn zu und reichte ihm die vom eigenen Blut verschmierte Hand. »Sie werden auf dieser Reise nicht eine einzige Münze mehr zahlen müssen, und ich schwöre, dass ich Sie vor Iljas Racheschwur schütze, solange Sie sich an meiner Seite befinden.« Die Frauen stürmten zu
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