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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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sich eben auf eine blonde Frau gestürzt hat. Die rechte Hand reißt ihr den Kehlkopf heraus und lässt den warmen Lebenssaft weit heraussprühen. Mein Geschoss wirft beide zu Boden. Ich eile vorwärts, durch die feine rote Wolke.
    Auf mich hat der Geruch, der Nebel, eine enorme Wirkung. Was ich durch jahrelanges Verweigern glaubte überwunden und im Meer der Beherrschung versenkt zu haben, ist innerhalb weniger Sekunden an die Oberfläche zurückgekehrt wie ein sich aufblasendes Rettungsboot. Was habe ich mir eingebildet? Kein Wille der Welt kann meinen Drang unterdrücken.
    Nicht
diesen
Drang.
    Ich springe durch den feinen Sprühnebel, die Tröpfchen schlagen sich auf meiner Maske und auf meiner Haut nieder und rinnen auch über meine Lippen. Bevor ich es meiner Zunge befehlen kann, ist sie schon hervorgeschnellt und hat gekostet.
    Süß wie das Leben, metallisch wie Eisen.
    Madman taucht vor mir auf und schlägt nach mir, aber ich weiche zur Seite aus und reiße mein Knie hoch, das ihn gegen die Brust trifft. Knackend geben die schutzlosen Knochen nach, und weil sie ohnehin nur durch das Klebeband verbunden sind, verschieben sie sich.
    Madman torkelt nach hinten, und ich steche zu.
    Die Klinge findet die Lücke, durch die sie fahren kann, und zerteilt das Herz des Upirs. Er kreischt entsetzt auf und presst die Rechte schützend auf die Brust, die andere Hand versucht, meinen Arm zur Seite zu schieben.
    Damit gibt er seinem eigenen Verderben Schwung. Die Schneide kappt den Muskel, ächzend fällt der Upir auf seine Opfer und windet sich.
    Meine Rangerstiefel haben Stahlkappen. Ich hole aus und verpasse dem Kopf einen furchtbaren Tritt, es knackt, als ich ihm das Genick breche. Das Zappeln hat ein Ende. Da ich aber vieles aus der Vergangenheit gelernt habe, knie ich mich neben Madman und trenne den Schädel mit schnellen Schnitten vom Hals. Jetzt gibt es für den Untoten keine Gelegenheit mehr, in dieses Leben zurückzukehren.
    »Helfen Sie mir«, röchelt eine Frau neben mir, die ebenfalls Opfer des Madman geworden ist. Sie presst die rechte Hand verzweifelt auf ihren Hals, das Blut schießt zwischen ihren schlanken Fingern hervor. Der Druck reicht nicht aus, um das Loch zu stopfen
    Ich starre auf das Rot und spüre den Geschmack auf der Zunge. Meine Fantasie gaukelt mir vor, dass es literweise durchmeine Kehle in den Magen läuft, und ich trinke, trinke, trinke, bis meine Eingeweide vor dem Bersten stehen.
    Dennoch gelingt es mir, mich nicht zu bewegen. »O mein Gott, helfen Sie mir!«, ächzt und weint sie gleichermaßen. Sie klingt schwach, die Lider flattern. Mit letzter Kraft hebt sie den Arm und reckt flehend die blutigen Finger nach mir.
    Die rotgefärbten Kuppen schweben wenige Zentimeter vor meinem Mund …
     
    16. November 1676
Osmanisches Tributland
     
    Scylla saß in ihrem Teil der Kammer auf dem Bett und lauschte. Hufschlag und das Rumpeln einer Kutsche näherten sich der Mühle. Das Gefährt hielt vor dem Eingang, die Pferde schnaubten, und das Klirren des Geschirrs verriet, dass sie unruhig waren; undeutlich drangen die Fetzen einer Unterhaltung zu ihr, dann lachten mehrere Männer und eine Frau.
    Ihr Herz pochte wie kurz vor dem Kampf gegen Frans. Es war der Abend der Cognatio. Ein Mitglied der geheimen Gesellschaft nach dem anderen traf ein, und wenn Scylla richtig gezählt hatte, war es die elfte Kutsche gewesen. Eine fehlte noch, dann würde ihre Prüfung beginnen.
    Sie stand auf, begutachtete sich vor dem Spiegel und kam zu dem Schluss, dass niemand aus der Cognatio etwas gegen ihren Wuchs einwenden konnte. Ihre letzten Aufgaben am Seziertisch hatte sie mit Bravour gemeistert, auch ihre alchemistischen Kenntnisse waren verfeinert worden.
    Auch wenn sie im Grunde keinen Anlass hatte, sich vor der Vorstellung zu fürchten, spürte sie einen Klumpen in ihrem Magen. Dafür gab es mehrere Gründe.
    Auf einen Schlag unter die Augen von so vielen fremden Menschen zu treten machte sie unruhig. Über all die Jahre hatte sie außer ihrem Vater nur Giure zur Unterhaltung gehabt, und jetzt
das
. Es bereitete ihr mehr Sorge als die Fragen, denen sie sich stellen musste.
    Zudem hatte Karol ihr offenbart, dass ihre Gestalt, ihr Leib, eine wichtige Rolle bei der Prüfung spielte, und eine Examinatio nach medizinischen Maßstäben angekündigt. Eine weitere Sache, die ihr Unbehagen bereitete, denn seit sie ihre erste Blutung bekommen hatte, achtete sie tunlichst darauf, dass nicht einmal Karol einen

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