Kinder des Wassermanns
hätte. Trotzdem waren es ermüdende Wochen, bis sie den Eingang zum Adriatischen Meer erreichten. Hätten die Wanderer nicht in den Wellen jagen, tollen und sich regenerieren können, wären sie wohl an der Verzweiflung zugrundegegangen.
Nun wurde die Fahrt noch langsamer und vorsichtiger, denn sie mußten sich eng an die östliche Küste halten, damit einzelne Gruppen die Gegenden erforschen konnten. Diese Route erhöhte die Wahrscheinlichkeit, daß sie von einem Schiff des Herrschers dieses Landes angehalten und untersucht wurden. Trotzdem stieg die Stimmung, Gesang klang auf, denn dies hier war ein schönes Land, steil, bedeckt mit Wäldern, reich an Fischen. Vanimen wollte weitersegeln, so lange es mit dem Schiff möglich war, es sei denn, er fand vorher eine vollkommene Stelle. Aber es würde jetzt keine Katastophe mehr bedeuten, wenn sie den Hulk aufgeben mußten.
So dachte er.
Tatsächlich lebte die Halbwelt immer noch an diesem Küstenstreifen und bestimmt auch in den Bergen, die sich dahinter erhoben. Als Vanimen zum Ufer schwamm und am Strand aus dem Wasser stieg, spürte er Magie wie ein Singen in seinem Blut, nachdem er in letzter Zeit auf ihrer Reise nichts als Öde empfunden hatte. Er erspähte Wesen, die scheu oder ihm nicht wohlgesinnt, auf jeden Fall aber nicht aus gewöhnlichem Fleisch und Blut waren. Fremd waren sie ihm, und wenn sie nicht davonflitzten, als hätten sie Angst, dann drohten sie ihm, und er zog sich zurück. Aber sie waren von seiner Art, ihm ähnlicher als Agnete, die letzten Endes erkannt hatte, daß sie der Halbwelt nie richtig angehören konnte.
Ein paar Stellen waren durch Exorzismus unzugänglich gemacht worden. Was an Fragezauber in seiner Macht lag, wandte er an, und so erfuhr er, daß dies meistenteils in den letzten Jahren geschehen war.
Ein neuer Glaube schien unter den Menschen aufgetaucht zu sein, oder vielmehr eine neue Sekte – denn er bemerkte nirgendwo etwas anderes als das Kreuz –, und dieser lehnte die lässigere Art der früheren Christen ab. Öfter noch stellte Vanimen fest, daß es einfach zuviel Ackerbau oder eine aufblühende Stadt gab, die allein durch ihr Vorhandensein die Gründung einer Kolonie unmöglich machte. Nun ja, die Delphine hatten ihm gesagt, er müsse weiter nördlich suchen.
Als er dies tat, kamen sie allmählich zu der Vielzahl von Inseln, von denen die Delphine gesprochen hatten. Keine war von den Priestern mit ewigen Flüchen belegt worden. Der Glaube, der voller Haß gegen alles zu Felde zog, was nach Lebensfreude schmeckte, konnte noch nicht bis hierher vorgedrungen sein. Denn so hatte Vanimen es sich zurechtgelegt: Der eigentliche Grund, warum das Feenvolk, das nur zu gern Freundschaft mit den Menschen geschlossen hätte, von diesen verfolgt wurde, war, daß es Freude am Leben hatte, auch wenn es dadurch der Seele verlustig ging. Irgendwo in dieser Gegend, so wagte er zu hoffen, lag das Ziel seiner Träume.
Sein Verstand setzte hinzu: Es wird auch höchste Zeit! Der Hulk fiel nämlich unter ihm in Stücke. Die Pumpen konnten das Wasser nicht mehr zurückhalten. Das Schiff sank täglich tiefer, war immer schwerer zu manövrieren, wollte sich von keinem Wind mehr vorantreiben lassen. Bald würde es ganz und gar nutzlos geworden sein. Doch dann konnte sich seine Schar ohne Hilfe auf die Suche machen …
So war der Stand der Dinge, als die Sklavenjäger das Schiff entdeckten.
Es war ein Tag, an dem die Fischer zu Hause und die Kaufleute an den Landungsplätzen blieben. Immer stärkere Böen pfiffen von Westen heran, trieben weiße Schaumkronen auf dem Wasser und Regenschauer am grauen Himmel vor sich her. Vanimen versuchte, vom Lee-Ufer Abstand zu halten, mußte jedoch bald einsehen, daß das nicht möglich war. Zwei Meilen aufrührerischen Meers voraus lag eine große Insel dicht vor dem Festland. Er schätzte, daß ihm die Einfahrt in den dazwischen liegenden Kanal gelingen würde. Dort waren sie geschützt. Hausdächer waren ein warnendes Zeichen, daß dort Menschen wohnten, aber es ließ sich nicht ändern, und viele waren es nicht.
Vanimen stellte sich auf das Achterdeck, wo er Ausschau halten und der Mannschaft, die sich inzwischen ein wenig Geschicklichkeit erworben hatte, Befehle zurufen konnte. Die Männer, alle nackt, führten verschiedene Arbeiten durch oder warteten auf neue Aufgaben. Viel größer war die Zahl der Frauen und Kinder, die er nach unten geschickt hatte, damit sie nicht im Weg waren. Es stand ihnen
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