Kinder des Wassermanns
gegenüber. Er hatte seine Diener entlassen, seine Frau aber gebeten aufzubleiben. Sie saß in einer Ecke und wärmte sich, so gut es ging, an einem Kohlenbecken, bis er nach mehr Wein winkte.
„Ja“, sagte er, „es ist besser, wenn ich Euch die ganze Geschichte erzähle. Andernfalls könntet Ihr den See meiden wollen, und ich hoffe doch, daß ihr euch unter uns ansiedelt und unseren Besitz durch eure Geschicklichkeit im Fischen mehrt. Außerdem ist das, was geschehen ist, keine Schande für meine Familie – nicht im eigentlichen Sinn. Leid …“ Er seufzte schwer. „Nein, Enttäuschung, und ich bin mir bewußt, daß es verkehrt von mir ist, so zu empfinden.“
Er strich sich über die Narbe, die sein Gesicht verzerrte. „Auch Euch macht es keine Schande, Vanimen, daß Ihr vor ihr zurückgewichen seid, wenn diese Wesen im Norden so fürchterlich sind, wie Ihr berichtetet. Ich könnte Euch von Schrecken sagen, die mich bis ins Grab verfolgen werden, und doch halte ich mich für einen tapferen Mann. Aber … ich weiß nicht warum; vielleicht unterscheiden wir uns von den Russen auf eine Weise, die noch nach dem Tod andauert – was auch der Grund sein mag, eine Vilja ist nichts so Grauenhaftes, wie es nach Eurem Bericht eine Rousalka ist. Oh, es wäre unklug von einem Mann, ihr zu folgen … aber schließlich hätte er eine Seele zu verlieren. Ihr dagegen …“ Iwan brach unvermittelt ab.
Vanimens kurzes Lächeln war bitter.
Iwan nahm einen Schluck. Dann fuhr er hastig fort: „Ich habe nur deswegen einen Groll auf Nada, weil sie meinen älteren Sohn dazu veranlaßt hat, der Welt zu entsagen. Ich denke jedenfalls, daß sie die Ursache war. Ich könnte mich irren. Wer kennt die Brunnen des Herzens außer Gott? Aber Mihajlo war ein so blühender Jüngling; in ihm sah ich mich selbst wiedergeboren. Und jetzt steckt er in einem Kloster. Ich sollte das nicht bedauern, wie? Es macht seine Erlösung wahrscheinlicher. Luka scheint zum Mönch geeigneter zu sein, als Mihajlo es je war, und nun ist Luka mein Nachfolger … Nein, das wird er nicht werden, denn ein Zhupan wird von den ihm Ebenbürtigen seines Clans gewählt oder außerhalb des Clans von der Krone ernannt, und sie werden erkennen, daß er kein Kämpfer ist.“
Eine Zeitlang führten sie schweigend die Kelche zum Mund, und nur der Sturm erhob seine Stimme. Schließlich fragte Vanimen leise: „War die Vilja wirklich einmal die Tochter Tomislavs?“
„Er kann den Gedanken nicht ertragen“, erwiderte Iwan, „und alle, die ihn lieben, sprechen in seiner Hörweite nicht davon. Ich verzeihe ihm, was er meinem Sohn heute angetan hat. Es ist ja weiter kein Schaden geschehen, und Luka hätte flinker sein sollen.
Trotzdem … nun, ich will Euch mitteilen, was jeder hier weiß. Vielleicht könnt Ihr, der Ihr aus dem Feenreich kommt, es besser beurteilen, als wir es getan haben, wir Menschen.
Ihr müßt wissen, daß Sina, Tomislavs Frau, ein Mensch war, der zum Leiden geboren wird. Ihr Vater war ein Bastard des Zhupans vor mir, und seine Mutter war eine Leibeigene, die von seltener Schönheit gewesen sein soll. Mein Vorgänger gab seinen Sohn frei, und er wurde ein Guslar – ein wandernder Musiker, ein Tunichtgut. Alle Welt war empört, als er eines Tages eine Frau von den Tzigani mitbrachte, diesen landlosen Heiden, die in letzter Zeit ins Land einströmen. Sie selbst war natürlich Christin, obwohl es nicht sicher ist, wie tief die Konversion ging.
Beide starben jung an Krankheiten. Ihre Tochter Sina wurde von Verwandten erzogen, die – das muß ich sagen – jede kindliche Dummheit, die sie beging, auf die Vererbung zurückführten. Ich habe mich oft gefragt, ob Tomislav, als er um sie freite, nicht ebenso Mitleid mit ihr gehabt hat, wie er von ihrer Lieblichkeit beeindruckt war.
Ihr habt von ihrem Leiden gehört. Einige Zeit nach Nadas Geburt versank Sina in stumpfe, hilflose Trauer, und so lag sie da, bis sie starb. Welche Erinnerungen hatte das Mädchen in seinem späteren Leben an die Mutter? Aufs Geratewohl lernte Nada hier und da von einer Nachbarin, was sie wissen mußte. Ihr Vater konzentrierte seine ganze Liebe auf sie, die allein ihm übriggeblieben war, aber was kann ein Mann schon tun? Vielleicht hat er ihr mehr anvertraut, als gut war – ein Priester trägt das Leid vieler anderer –, vielleicht hat er sie zu früh erkennen lassen, daß diese Welt voller Tränen ist. Ich weiß es nicht. Ich bin nur ein Soldat, Vanimen.“
Iwan trank,
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