Kinderfrei
in den Industrieländern die durch die Industrie freigesetzten Stickstoffmengen bis zu zehnmal so hoch wie der natürliche Schwefelgehalt. 86
› Hinweis
Mit gravierenden ökologischen Folgen wie Smog, saurem Regen, Belastung von Grund- und Trinkwasser und Beschleunigung des Klimawandels.
Wir können es nicht leugnen, die Beweise sind erdrückend: Die Menschheit hat die natürlichen Kreisläufe in einem Ausmaß aus dem Gleichgewicht gebracht, das historisch absolut einmalig ist. Es gibt keinerlei Erfahrungswerte, niemand weiß genau, wo die Grenzen liegen, die besser nicht überschritten werden, will man nicht unkalkulierbare Folgen riskieren – oder ob diese Grenzen nicht schon längst erreicht sind. Manche Wissenschaftler jedenfalls glauben, dass in drei von sieben Bereichen die kritischen Grenzen schon überschritten sind: beim Klimawandel, im Stickstoffkreislauf und beim Verlust von Biodiversität. 87
› Hinweis
Doch all das ficht die Anti-Malthusianer nicht an. Sie vertreten den Standpunkt, dass Bevölkerungswachstum positiv sei, gerade weil es Probleme verursacht. Diese frappierende These stellte die dänische Ökonomin Ester Boserup in den 1960er-Jahren auf. Boserup argumentierte, dass die durch Bevölkerungswachstum verursachten Probleme, etwa Ressourcenknappheit, die Menschen zwängen, neue innovative Lösungen zu finden, die dann zu einer Verbesserung der Lebenssituation führten, die ohne die Probleme gar nicht erst erreicht worden wäre. Welch bemerkenswerte Logik. In gewisser Weise ist das nichts anderes als der grundsätzlich nicht falsche alte Gedanke, dass Not die Mutter aller Erfindungen ist. Das ist aber noch lange kein Grund, die Not sehenden Auges herbeizuführen, indem man immer mehr und größere Probleme schafft. Ein solches Vorgehen erinnert ein wenig an einen Feuerwehrmann, der gefährliche Brände legt, um sich anschließend in spektakulären Rettungsaktionen als Held zu erweisen.
Die Vorstellung, dass Bevölkerungswachstum gleichbedeutend ist mit Innovation und Fortschritt, die sich hartnäckig in unseren Köpfen hält, ist irreführend und gefährlich. Sie ist nämlich untrennbar verbunden mit dem Gedanken, dass umgekehrt eine Stagnation oder gar ein Rückgang der Bevölkerungszahl automatisch zum Niedergang von Innovation, Forschung, Technik und Kultur führt. Dieser Gedanke ist ein Hauptnährboden für die irrationale Angst des Westens, von der islamischen Welt, mit ihrem Bevölkerungswachstum und ihrem hohen Anteil an jungen Menschen, überrollt zu werden. Dabei zeigt die Realität, wie unbegründet diese Annahme ist. Die bedeutenden technologischen und medizinischen Entwicklungen des 20. und bisherigen 21. Jahrhunderts kamen schließlich trotz des dortigen massiven Bevölkerungswachstums nicht aus den Staaten der islamischen Länder, sondern aus den westlichen Nationen – trotz ihrer im Verhältnis zur Weltbevölkerung kleinen und abnehmenden Bevölkerungszahl. Bevölkerungswachstum ist eben kein Garant und schon gar keine zwingende Voraussetzung für Innovation. Das gilt natürlich erst recht für arme bevölkerungsreiche Länder, wo die große Masse der Menschen zu sehr mit dem Überlebenskampf beschäftigt ist, um sich Gedanken über mögliche, innovative Lösungen für die Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert zu machen.
Dieses Rennen zwischen Hase und Igel, die ständige Spirale aus Bevölkerungswachstum und sich daraus ergebenden Problemen, kann nicht unendlich fortgeführt werden – aus dem einfachen Grund, weil auch unser Planet nicht unendlich ist. Auch der menschliche Erfindungsgeist kann nichts daran ändern, dass jedes Wachstum irgendwann zwangsläufig an natürliche Grenzen stößt, die sich nicht mehr überwinden lassen. Und es spricht alles dafür, dass wir diese Grenzen jetzt endgültig erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten haben.
Wir haben uns als Menschheit in eine Situation hineinmanövriert, in der unsere Vermehrung, biologisch betrachtet, nicht mehr den Arterhalt garantiert, sondern im Gegenteil gefährdet. Nicht in dem Sinne, dass die Menschheit vom Aussterben bedroht wäre. Nein, das nicht. Sehr wohl aber steht zu befürchten, dass ein massiver Bevölkerungseinbruch droht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Ungebremstes Bevölkerungswachstum führt geradewegs in die Katastrophe. Das lehrt uns ein Blick in die Natur: Viele Arten vermehren sich explosionsartig, wenn die Bedingungen günstig sind; in der Folge kommt es zu einem
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