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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Julius begleitete die erregten Eltern zur Tür. »Solche Wohlstandskinder bilden heute bereits schon ein Problem. Sie sind nicht die einzigen Eltern, die sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, des Geldverdienens willen ihre Kinder zu vernachlässigen. Nicht körperlich, o nein … seelisch, und das ist viel schlimmer.« Er blieb stehen, bevor er die Tür öffnete, und sah den hochrot gewordenen Vater an. »Wenn draußen die Sonne scheint, so wie heute, gehen Sie dann mit Ihrem Kind spazieren? Ins Grüne, an einen Schwanenteich, über eine blühende Wiese …?«
    »Wann denn, Herr Oberarzt?« stotterte der Vater.
    »Am Samstag, am Sonntag …«
    »Samstags habe ich noch eine Nebenbeschäftigung als Statiker übernommen, und sonntags … einmal müssen ja auch wir ausruhen können, Herr Doktor.«
    »Sehen Sie.« Oberarzt Dr. Julius lächelte schmerzlich. »Darüber sollten sie mal nachdenken. Keine Klinik kann einen duftenden Waldspaziergang ersetzen … und diese Therapie können Sie umsonst haben – wenn Sie Zeit für Ihr Kind hätten.«
    Das war ein Fall, den Oberarzt Dr. Julius noch klären konnte. Manchmal aber brüllte Dr. Wollenreiter die Eltern so an, daß sie mit einer Klage drohten. Einmal hatte er sogar geschrien: »Sie sind nicht wert, ein solches Kind zu haben!« Da hatte Prof. Karchow Dr. Wollenreiter zu sich kommen lassen. Auch Dr. Julius war zugegen.
    »Ich weiß, was los ist«, sagte Wollenreiter mürrisch, als er im Chefzimmer stand. »Der Delinquent meldet sich zur Stelle. Soll ich den Nacken freimachen, damit man besser zuschlagen kann?«
    Prof. Karchow strich sich mehrmals mit der flachen Hand über seine Glatze. »Sie wissen, ich habe eine unselige Schwäche für Typen«, sagte er. »Als Sie bei mir eintraten, damals noch ein junger Assistent, sagte ich mir: Der paßt hierher. Der hat eine Schnauze, die man im Todesfall extra zuschlagen muß. Aber was zuviel ist – bei aller Duldung Ihrer Originalität –, ist zuviel!«
    »Das Recht ist immer zuviel«, antwortete Dr. Wollenreiter dumpf.
    »Quatschen Sie nicht, Wollenreiter!« Prof. Karchows Augen hinter der Goldbrille funkelten. »Legen Sie sich eine Bremse an. Sie wissen, daß Kollege Waygand weggeht, daß somit die II. Oberarztstelle frei wird. Aber, Himmel noch mal, kann ich denn einen Oberarzt gebrauchen, der die Eltern anrotzt? Wollenreiter, was ist denn mit Ihnen los?«
    »Ich liebe Kinder, Herr Professor. Aber die Eltern finde ich meistens zum Kotzen! Wenn ich die Diskrepanz sehe zwischen Zeugung und Aufziehen der Erzeugten, könnte ich an die Decke gehen. Natürlich, Kinder in die Welt setzen, das kann jeder, dazu gehört nicht viel, den Weg dazu finden selbst Blinde … aber aus dem hilflosen Kind dann einen vollwertigen Menschen zu machen, dazu sind heute fast 70 Prozent der Eltern zu dumm!«
    »Und Sie glauben, es wird besser, wenn Sie ihnen das ins Gesicht schreien, was?« Prof. Karchow schüttelte seinen dicken, runden Kopf. »Es stimmt, das ist ein alter Lehrsatz: Die Erziehung der Kinder beginnt bei den Eltern. Aber doch nicht so, wie Sie es praktizieren!«
    »Herr Professor –« Dr. Wollenreiter atmete ein paarmal tief durch. »Gestern habe ich einen Vater aus der Klinik gefeuert.«
    »Was haben Sie?« fragte Dr. Julius betroffen.
    »Ich habe den Vater hinten am Kragen genommen und aus dem Zimmer geworfen. Auf den Flur. Schwester Angela brachte gerade Tee herein.«
    »Ja, sind Sie denn von Sinnen?« stammelte auch Prof. Karchow.
    »Der Vater war neunzehn Jahre alt. Er erschien in einer Lederjacke, schwarz, auf dem Rücken einen gestickten Siouxindianer, er hatte Nietenhosen an, hauteng, und darüber hochhackige Cowboystiefel mit Goldverzierungen. Hände in den Taschen, Zigarette im Mundwinkel, kam er zu mir und sagte: ›Na, Doktor, nun zeigen Sie mir mal meinen Brüller! Nachdem sie mir die Vaterschaft zugeschoben haben, will ich mir mal meinen Volltreffer ansehen.‹« Dr. Wollenreiter drückte das Kinn an. »Der Volltreffer kam sofort. Ich habe ihm eine gewischt, daß er auf dem Boden saß. Dann habe ich ihn gepackt und hinausgeworfen. Herr Professor – das tut mir jetzt noch gut.«
    Prof. Karchow sah zu Dr. Julius. »Was sagen Sie nun, Julius?« fragte er hilfesuchend.
    »Ich hätte dem Kerl auch eine gescheuert, Herr Professor.«
    »Ich auch.« Karchow schlug die Hände zusammen. »Eine rohe Zeit, meine Herren! Statt sich zur Ethik zu entwickeln, wachsen wir wieder hinein in die Höflichkeit eines Neandertalers. Dr.

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