Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
doch, und wie. Die ganzen Fotokopien, die du gemacht hast, die Papiere, die du aus Mülltonnen gefischt hast, was würde wohl passieren, wenn die bei der Polizei landen würden?“
    „Dann wären Sie genauso dran wie ich, das würde passieren!“
    „Du würdest mich wirklich verpfeifen?“ Mit einer aufgesetzt beleidigten Miene zündete Zlatan sich eine Zigarette an.
    Drissa starrte die Sonnenbrille herausfordernd an, aber die Ruhe des Mannes brachte ihn aus der Fassung. Er spürte deutlich, dass sich der Mann über ihn lustig machte, dass er keine Angst hatte; während er selbst immer zaghafter wurde.
    „Prima“, sagte der Mann, nachdem er an seiner Zigarette gezogen hatte. „Dann sag mir doch mal, wer ich bin !“
    Der Malier antwortete nicht – er konnte es nicht.
    „Was willst du ihnen denn sagen, Freundchen? Dass dir ein Mann mit Sonnenbrille, dem du in einem Café begegnet bist, 1000 Euro dafür gegeben hat, dass du ein Mikrophon in einer Lampe versteckt hast? Und dass er dir dann weitere 500 Euro gegeben hat, um Unterlagen aus einer Aktenmappe zu fotokopieren? Und noch einmal 500 Euro, um jeden Tag weggeworfene Papiere aus einer Mülltonne zu fischen? Sie werden dich fragen, wie dieser Mann heißt: Und was sagst du ihnen dann? Herr Weihnachtsmann? Dass er um die vierzig ist, groß und sichtlich übergewichtig, dass er einen leichten Akzent hat und angezogen ist wie Herr Jedermann? Dass du weder seinen Namen noch seine Anschrift noch seine Telefonnummer kennst, da er dich immer mit unterdrückter Nummer anruft? Willst du ihnen das erzählen? Glaub mir, dann sitzt du ganz schön in der Scheiße, Driss, nicht ich.“
    „Ich werde ihnen sagen, dass ich bereit bin, das Geld notfalls zurückzuzahlen.“
    Wieder lachte der Mann laut auf, und Drissa hatte das Gefühl, zu einem Zwerg zu schrumpfen. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Wäre er diesem Mann doch nie begegnet!
    In abstoßender Vertraulichkeit packte die mächtige, feuchtwarme Pranke seine Hand.
    „Stell dich nicht dumm, Drissa Kanté. Ich weiß, dass du ein schlauer Kerl bist.“
    Als er aus dem Mund des Mannes seinen Namen hörte, durchlief ihn von Kopf bis Fuß ein kalter Schauder.
    „Fassen wir also zusammen … Du hast Industriespionage in einem Land betrieben, in dem das ein fast genauso strafbar ist wie, und das obwohl du erst vor kurzem in dieses Land gekommen bist, das dich so freundlich aufgenommen und aus deiner beschissenen Lage in Malta herausgeholt hat, ein Land, in dem du vor kurzem endlich eine feste Anstellung gefunden hast und, wer weiß, vielleicht eine Zukunft … Alles übrige lässt sich nicht überprüfen, eine reine Ausgeburt deiner Phantasie, amigo. “
    Drissa betrachtete die Schweißflecken unter den Achseln des Mannes.
    „Viele Leute haben Sie hier gesehen und können das bezeugen. Sie sind keine Ausgeburt meiner Phantasie, wie Sie behaupten.“
    „Also gut, sei’s drum. Und? Einmal abgesehen davon, dass die Leute hier nur ungern mit der Polizei plaudern, liegt es ja auf der Hand, dass du das alles im Auftrag und gegen Bezahlung getan hast. Was soll´s. Dadurch ändert sich für dich nichts. Wenn du mich fragst, ist das sogar schlimmer, als wenn du es für eine edle Sache getan hättest. Was werden all diese Gäste hier wohl sagen? Dasselbe wie du. Die Polizei wird die Spur niemals bis zu mir zurückverfolgen können, und du, du wirst im Knast ein paar Jahre vor dich hin vegetieren, bis du abgeschoben wirst. Willst du das wirklich? Du hast einen weiten Weg zurückgelegt, Bruder, du hast die Wüste, das Meer und Grenzen bezwungen … Es heißt, dieses Land wäre rassistisch, aber, verdammt, du weißt, die Libyer sind Rassisten, die Malteser sind Rassisten, die Chinesen sind Rassisten, und selbst diese Arschlöcher von Tuareg sind Rassisten. Der ganze Planet ist rassistisch, und du, du bist Malinké , Bruder: das Schwärzeste vom Schwarzen. Willst du also wirklich wieder illegaler Ausländer werden?“
    Drissa spürte, wie ihn seine Kräfte verließen, wie sein Wille unterging wie der Kutter im Sturm. Sein Schädel zerbarst unter den Worten des Mannes wie die Planken des Seelenverkäufers unter den Schlägen des Meeres. Jedes seiner Worte schmerzte wie ein Peitschenhieb.
    „Antworte: Willst du das? “
    Er schüttelte den Kopf, die Augen auf das karierte Tischtuch gerichtet.
    „Sehr schön. Dann hör mir mal zu: wann Schluss ist, entscheide ich. Aber du kannst dich freuen. Du hast mein Wort: Es ist das letzte

Weitere Kostenlose Bücher