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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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fragte sich, wovon er sprach.
    „Ich habe noch nie eine französische Nationalmannschaft so abgrundschlecht spielen gesehen! Und was sich in der Halbzeit in der Kabine abgespielt hat, ist unglaublich, wenn es wahr ist …“
    Er erntete damit ein allgemein missbilligendes Gemurmel. Da fiel Servaz wieder ein, dass früher am Abend ein „entscheidendes“ Spiel stattgefunden hatte. Frankreich-Mexiko, wenn er sich richtig entsann. Er traute seinen Ohren nicht. Es war zwei Uhr morgens, er war möglicherweise gerade dem Tod entronnen, und man sprach über Fußball!
    „Was ist denn in der Kabine passiert?“, wollte Espérandieu wissen.
    War vielleicht eine Bombe explodiert, die die halbe Mannschaft zerfetzt hatte?, fragte sich Servaz. Oder hatte ein Spieler einen anderen umgebracht? Oder hatte der Trainer, auf dem alle herumhackten, vor seinen Spielern Harakiri begangen?
    „Anelka soll Domenech beleidigt haben“, empörte sich Pujol.
    Na und? Ist das alles? Servaz war perplex. Polizisten wurden auf den Revieren und auf der Straße tagtäglich beleidigt und bespuckt. Das hier bewies nur, dass die französische Nationalmannschaft wirklich ein Spiegel der Gesellschaft war.
    „Ist Anelka der, der letztes Mal vor Spielende ausgewechselt wurde?“
    Pujol nickte.
    „Wieso hat er dann überhaupt wieder gespielt, wenn er so schlecht ist?“, wollte Servaz wissen.
    Alle sahen ihn an, als hätte er eine ausgezeichnete Frage gestellt. Und als wäre die Antwort auf diese Frage fast genauso wichtig, wie den Mörder zu fassen.

40
     
    Eingekreist
    Die Klänge von Singing in the Rain drangen in ihr schlaftrunkenes Bewusstsein. Ziegler sah flüchtig einen Malcolm McDowell vor sich, der singend und tanzend seine Melone mit Füßen trat, ehe sie aus ihrem Traum gerissen wurde. Ihr Handy läutete hartnäckig. Sie drehte sich auf den Bauch und streckte murrend die Hand zum Nachttisch aus. Die Stimme war ihr nicht vertraut.
    „Capitaine Ziegler?“
    „Ja. Verdammt, wie spät …?“
    „Ich … hm … hier spricht Drissa Kanté. Hören Sie, es … es tut mir leid, dass ich Sie wecke, aber ich … ich … ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen. Es ist wirklich wichtig, Capitaine Ziegler. Ich kann einfach nicht schlafen. Ich … ich dachte mir, ich muss es Ihnen sagen. Und zwar jetzt, weil ich später wohl nicht mehr den Mut dazu hätte …“
    Sie machte die Lampe an. Der Radiowecker zeigte 2:32 Uhr an. Was war in ihn gefahren? Dabei klang er gestresst, aber entschlossen. Sie hielt den Atem an. Drissa Kanté hatte ihr etwas zu sagen. Etwas Wichtiges, wie sie angesichts der Uhrzeit hoffte.
    „Was haben Sie mir zu sagen, Monsieur Kanté?“
    „Die Wahrheit.“
    Sie setzte sich auf und lehnte sich gegen die Kopfkissen.
    „Was meinen Sie?“
    „Ich habe Sie angelogen, heute Abend … ich … ich hatte Angst … Angst, dass sich dieser Mann rächen wird. Dass ich auch vor Gericht komme, wenn Sie ihn verhaften – und ausgewiesen werde. Gilt Ihr Deal noch?“
    Sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. Ihr Gehirn war noch benebelt, aber sie wurde immer wacher.
    „Ich habe Ihnen mein Wort gegeben“, antwortete sie schließlich, als er schwieg. „Niemand wird etwas erfahren. Aber ich behalte Sie im Auge, Kanté.“
    Sie ahnte, dass er jedes ihrer Worte genau abwog. Aber er hatte sie angerufen; er hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Er hatte es sich reiflich überlegt. Sie wartete geduldig, und in den Spitzen ihrer Finger, die das Telefon umklammerten, spürte sie ihren Puls.
    „Es sind nicht alle wie Sie“, sagte er. „Und wenn einer Ihrer Kollegen etwas ausplaudert? Wenn er mich verpfeift? Ich vertraue Ihnen, aber Ihren Kollegen nicht …“
    „Ihr Name wird nirgendwo erscheinen. Das verspreche ich Ihnen. Und außer mir kennt ihn niemand. Sie haben mich angerufen, Kanté. Dann packen Sie jetzt aus. Es ist sowieso zu spät, ich lasse Sie nicht mehr los.“
    „Dieser Mann hat keinen sizilianischen Akzent.“
    „Was … was soll das heißen?“
    „Ich habe Ihnen gesagt, dass er einen Akzent hat, einen italienischen Akzent, erinnern Sie sich?“
    „Ja. Na und?“
    „Ich habe Sie angelogen. Er hat einen osteuropäischen, einen slawischen Akzent.“
    Sie runzelte die Stirn.
    „Sind Sie sicher?“
    „Ja, glauben Sie mir, ich bin im Lauf meiner … meiner Reisen einer Menge Leute begegnet.“
    „Danke … Aber das ist doch nicht der einzige Grund, aus dem Sie mich um eine solche Uhrzeit anrufen, oder?“
    „Nein …

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