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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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unter den Wolken noch hell und glänzend war, und die Finsternis breitete sich unter den Bäumen des Platzes aus. Er sah auf die Uhr. 22:30 Uhr. Die Kriminaltechniker wären frühestens in einer Stunde da.
    Vor Angst krampfte sich ihm der Magen zusammen. Ihm wurde bewusst, dass ganz in ihrer Nähe ein Mörder nicht vor Polizisten Halt machte, und dazu noch mit erschreckender Kaltblütigkeit und Entschlossenheit. Er beschattete sie und blieb ihnen dicht auf den Fersen. Er war immer da, er ließ sie nicht aus den Augen. Servaz spürte, wie sich bei diesem Gedanken in seinem Nacken die Haare aufstellten.
    In seiner Tasche summte das Handy. Er sah auf die Nummer. Es war Samira.
    „Sie haben Thomas999 identifiziert“, sagte sie. „Er heißt gar nicht Thomas.“
    Plötzlich war er sehr weit weg von der Bank.
    „Du wirst es nicht glauben“, sagte sie.
     
    Es klopfte. Margot warf ihrer schlafenden Mitbewohnerin einen Blick zu, sah aufs Bett zu ihrem eingeschalteten Notebook und auf die Uhr in einer Ecke des Bildschirms. 23:45 Uhr. Sie stand auf. Öffnete die Tür einen Spalt breit. Elias. Sein blasses Mondgesicht – zumindest die Hälfte, die unter seiner Haarsträhne hervorsah – zeichnete sich gegen den dunklen Gang ab.
    „Was machst du im Mädchengang? Noch nie was von Handy und SMS gehört?“
    „Komm mit“, sagte er.
    „Was?“
    „Beeil dich.“
    Sie stand kurz davor, ihm unter lauten Beschimpfungen die Tür vor der Nase zuzuknallen, aber sein Tonfall brachte sie davon ab. Sie kehrte zu ihrem Bett zurück, schnappte sich Shorts und ein T-Shirt und streifte sie über. Es war kurz vor Mitternacht, sie war in Slip und BH, aber Elias hatte nicht den flüchtigsten Blick auf ihren Körper geworfen, der, wie sie wusste, eigentlich ganz nach dem Geschmack der Jungs war. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder er war wirklich noch Jungfrau, wie es einige Mädchen behaupteten, oder er war schwul, wie einige Jungs zu wissen meinten.
    Sie drückte auf den Schalter, und im Gang sprang das Licht an.
    „Verdammt, Margot!“
    Sein Schrei war nur ein heiseres Murmeln. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. Elias zuckte mit den Schultern, und sie gingen zur Treppe. Am Fuß der Stufen, in der Eingangshalle, sahen ihnen zwei Marmorbüsten dabei zu, wie sie die Tür zum Park öffneten. Draußen hatte das Gewitter vorübergehend nachgelassen. Zwischen den Wolken kratzte der Mond die Nacht wie eine weiße Kralle. Die Natur war noch immer wasserdurchtränkt, und Margot spürte schon bei ihren ersten Schritten auf der Wiese, wie das Wasser in ihre Turnschuhe drang.
    „Wohin gehen wir?“
    „Sie sind raus.“
    „Wer?“
    Er verdrehte die Augen.
    „Sarah, David und Virginie. Ich habe gesehen, wie sie nacheinander Richtung Labyrinth geschlichen sind. Bestimmt haben soe sich dort verabredet. Wir müssen uns beeilen.“
    „Warte. Und was ist, wenn wir ihnen zufällig in die Arme laufen? Was sagen wir dann?“
    „Wir fragen sie, was sie da treiben.“
    „Super.“
    Sie tauchten tiefer in die Dunkelheit ein. Sie gingen dicht an der Statue unter dem großen Kirschbaum vorbei und schlüpften unter der verrosteten Kette hindurch ins Labyrinth. Elias blieb stehen und horchte. Margot tat es ihm gleich. Schweigen. Überall bewegten sich die Pflanzen im Wind, überall tropften sie in Erwartung des nächsten Regenschauers. Dadurch ließen sich alle anderen Geräusche kaum wahrnehmen, aber immerhin übertönte das Prasseln auch ihre eigenen Geräusche.
    Sie sah Elias zögern, ehe er sich nach links wandte. Bei jeder Wegbiegung befürchtete sie, dem Trio in die Arme zu laufen. Die Hecken waren lange nicht mehr geschnitten worden, und manchmal kratzte ihr im Dunkeln ein Zweig ins Gesicht. Die Wolkendecke hatte sich wieder geschlossen. Sie hörte nur das Geräusch des Windes und das Tropfen der wassergetränkten Büsche, und sie begann sich zu fragen, ob sich Elias nicht getäuscht hatte.
    Bis plötzlich Stimmen zu hören waren. Ganz nah.
    Elias blieb vor ihr stehen und gab ihr mit erhobener Hand ein Zeichen, wie in einem Kriegsfilm, in dem sich Kommandoeinheiten durch feindliches Gebiet schleichen. Fast hätte sie hämisch aufgelacht. Aber eigentlich war ihr gar nicht nach Lachen. Unbehagen beschlich sie. Sie hielt den Atem an. Die drei waren unmittelbar vor ihnen … Hinter der nächsten Biegung. Sie machten noch zwei weitere Schritte, und jetzt war laut und deutlich Davids Stimme zu hören.
    „Das ist ja gruselig, ich hab da echt

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