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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Häuserblock direkt neben dem Freeway. Die kurvigen Straßen in der Umgebung waren nach Bundesstaaten benannt, angefangen mit denen der Ostküste. Ich fuhr also durch Maine-, Massachusetts-, New York- und Rhode-Island-Straßen und geriet in ein raffiniertes Einbahnstraßensystem, in dem Vermont und New Jersey zu Sackgassen wurden. Es schien, als wäre der Erbauer bis zur Colorado Avenue gekommen, bevor ihm entweder die Dollars oder die Geographiekenntnisse ausgegangen waren. Über eine lange Strecke freier Grundstücke standen von Zeit zu Zeit Pfosten, an denen kleine weiße Fetzen hingen, die dieses Gelände als unerschlossen auswiesen.
    Die meisten dieser Häuser waren in den fünfziger Jahren erbaut worden. Die Bäume waren gut gediehen und beherrschten jetzt die kleinen Grundstücke. Die Häuser waren abwechselnd blaßrosa und blaßgrün verputzt. Eines war das Spiegelbild des nächsten, wie ein Blech voller Kuchen auf einem Bäckereiregal. Alle hatten die gleichen steinbedeckten Dächer, als wäre ein Vulkan in der Nähe ausgebrochen und hätte eine dünne Ascheschicht regnen lassen. Das gesamte Gebiet schien von weit geöffneten Garagenmäulern geprägt zu sein, und ich war dem Blick auf ein Durcheinander von Gartengeräten und Campingzubehör, Spielzeug, Werkzeug, staubigen Koffern und Luxuskühlschränken ausgesetzt. Überraschend wenige Autos waren zu sehen, und ich hatte den Eindruck, hier handelte es sich um eine Gemeinde, die angesichts einer Naturkatastrophe verlassen worden war. Vielleicht hatte eine Seuche ihren Weg hierher genommen, oder vielleicht waren giftige Abfälle im Boden aufgetaucht und hatten alle Hunde und Katzen getötet und Löcher in Kinderfüße geätzt. An der Kreuzung von Maryland und Virginia fuhr ich rechts.
    In der Carolina hatten ein paar wagemutige Geister ihre Häuser mit Schiefer- oder Zedernschindeln verkleidet; einige andere hatten sich für orientalische Effekte entschieden — Spaliere aus Sperrholz mit geometrischen Ausschnitten, die chinesisch wirken sollten, und hochgezogene Dachecken im festlichen Pagodenstil der fünfziger Jahre. Verglichen mit den neueren Vierteln in den Außenbezirken von Santa Teresa waren diese Häuser schäbig. Spuren einer schlechten Bauweise trieben an der Oberfläche wie Hühnerfett auf selbstgekochten Suppen. Im Putz gab es Risse, die Fensterläden waren verzogen. Das Furnier der Eingangstüren schälte sich in Streifen ab. Sogar die Vorhänge hingen schief, und ich konnte mir vorstellen, wie der Mörtel in den Badezimmern Beulen warf und die Wasserhähne vor Rost starrten.
    Die Howes hatten die Wiese vor ihrem Haus gegen einen Steingarten eingetauscht. Das struppige Gras war offensichtlich unter Tonnen von Sand begraben und mit malvenfarbigen und grünen Kiesschichten bedeckt worden. Ich konnte noch einen Streifen der schwarzen Plastikplane an einer Ecke hervorlugen sehen, wo man den Versuch gemacht hatte, das Unkraut zu verdrängen. Das Bermudagras hatte sich der Herausforderung gestellt und schlängelte sich an einer ruhigen Stelle seinen Weg durch den Kies. Eine Vogelbadewanne war zwischen den Kakteen befestigt, und ein Eichhörnchen aus Gußbeton tauchte in einer Haltung von scheinbar immerwährendem, steinernem Optimismus aus einem Kaktus auf. Ich bezweifelte, daß es im weiten Umkreis ein lebendes Eichhörnchen gab. Ich parkte den Wagen und ging zum Haus hinauf. Die Kladde, die ich immer auf dem Rücksitz liegen habe, nahm ich mit. Die Garage der Howes war geschlossen und ließ diesen Ort leer und nichtssagend erscheinen. Die lange, niedrige Verandalinie wurde durch Efeu verdunkelt, der zwar malerisch aussah, aber, wie ich wußte, in der Lage war, das Dach einfach abzuheben. Die Vorhänge waren geschlossen. Ich klingelte, aber es gab kein bestätigendes »Ding-Dong« drinnen. Eine Minute verging. Ich klopfte. Die Frau, die an die Tür kam, war gebeugt. Ihre blassen, blauen Augen betrachteten zögernd mein Gesicht.
    »Mrs. Howe?«
    »Ich bin Mrs. Howe«, sagte sie.
    Ich fühlte mich wie in Lektion eins auf einer Fremdsprachenplatte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und eine Stimme, so fade und trocken wie Kräcker.
    »Ich hörte, daß Leonard Grice hier wohnt. Stimmt das?«
    »Ja.«
    Ich hielt meine Kladde hoch. »Ich bin von der Versicherungsgesellschaft und würde gern ein paar Worte mit ihm wechseln.« Ein Wunder, daß Gott nicht auf der Stelle herabfuhr und mir für meine Lügen die Zunge mit der Wurzel herausriß.
    »Leonard

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