Kinsey Millhone 02- In aller Stille
bringen, selbst wenn er eines entzünden könnte. Mrs. Howe nahm das Päckchen und zündete ihm das Streichholz an. Er inhalierte tief.
»Sie müssen mich entschuldigen«, meinte er, »der Doktor gibt mir ein Medikament, das das hier verursacht. Ich bin in Frührente wegen meines Rückens. Was genau möchten Sie wissen?«
»Ich habe diesen Fall erst kürzlich übertragen bekommen, und ich dachte, es könnte mir helfen, Ihren eigenen Bericht über das, was an jenem Abend geschah, zu hören.«
»Warum, um Himmels willen?« rief Mrs. Howe.
»Geht schon in Ordnung, Lily«, fiel er ein, »es macht mir nichts aus. Ich bin sicher, sie hat ihre Gründe, warum sie das wissen will.« Seine Stimme war jetzt kräftiger und verwischte den ursprünglichen Eindruck von Schwäche. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und ließ sie in der Gabelung zwischen Zeige- und Mittelfinger ruhen.
»Meine Schwester ist verwitwet«, begann er, als wollte er so ihre Kampfbereitschaft erklären. »Mr. Howe starb vor eineinhalb Jahren an einem Herzinfarkt. Danach gewöhnten Marty und ich uns an, Lil einmal in der Woche zum Essen auszuführen. Es war vor allem eine Möglichkeit, den Kontakt zueinander aufrechtzuerhalten und einander zu besuchen. Nun, an jenem Abend wollte Marty wie immer mitgehen, aber sie sagte, sie habe das Gefühl, eine Grippe sei im Anzug, und entschied sich im letzten Moment, zu Hause zu bleiben. Lil hatte Geburtstag, und Marty war enttäuscht, weil sie wußte, daß die Kellner einen kleinen Kuchen bringen und ein Ständchen halten würden... Sie kennen das ja. Sie wollte Lilys Gesicht dabei sehen. Jedenfalls dachte sie, wenn es ihr nicht gutginge, könnte sie allen den Abend verderben, also blieb sie.« Er machte eine Pause und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Ein langes Stück Asche hatte sich gebildet, und Lily schob ihm genau in dem Moment einen Aschenbecher zu, als es runterfiel.
»Sind Sie jedesmal am gleichen Wochentag ausgegangen?« fragte ich.
Er nickte. »In der Regel dienstags.«
Pflichtbewußt machte ich mir eine Notiz auf dem amtlichen Block meiner Kladde. Ich hoffte, es würde aussehen, als hätte ich offizielle Gründe, dieses ganze Zeug zu fragen. Ich gab vor, in ein oder zwei Listen nachzusehen, indem ich eine Seite zurückschlug. Ich fand, die Kladde war ein geschickter Zug gewesen. Ich denke, Lily fand das auch. Die blinzelte hinüber und wollte sehen, ob ich auch etwas von dem, was sie zu sagen hatte, aufschrieb.
»Das ist der beste Abend für mich«, versuchte sie es. »Meine Haare werden immer dienstags gelegt, und ich gehe gern aus, wenn sie hübsch aussehen.«
»Dienst. Friseur«, schrieb ich. »Wie viele Leute wußten, daß Sie dienstags auszugehen pflegten?«
Leonard schaute mich mit einem merkwürdigen Blick an. Die Medikamente hatten seine Pupillen ganz geöffnet, zu vollendeten schwarzen Löchern, die aussahen, wie mit dem Papierlocher gestanzt.
»Wie bitte?«
»Ich frage mich, wie viele Leute von Ihrem Ausgehabend wußten. Wenn der Einbrecher jemand war, den Sie kannten, könnte er gedacht haben, daß Sie wie üblich ausgegangen waren.«
Seine Miene flackerte unsicher. »Ich verstehe nicht, was das mit dem Versicherungsanspruch zu tun hat«, meinte er.
Jetzt mußte ich vorsichtig mit der Formulierung meiner Antwort sein, weil er den Finger auf den schwachen Punkt meiner Scharade gelegt hatte. Meine Fragen hatten mit nichts etwas zu tun, außer damit, herauszufinden, ob Elaine den Mörder gesehen haben könnte. Bis jetzt wußte ich nicht einmal, was tatsächlich an jenem Abend geschehen war, und deshalb versuchte ich, die nötigen Informationen herauszubekommen. Lieutenant Dolan würde sie mir sicher nicht verraten, das war klar.
Ich lächelte kurz und sprach mit lockerer Stimme weiter. »Natürlich sind wir daran interessiert, diese Tat aufgeklärt zu sehen«, sagte ich. »Wir könnten eine Ermittlung in diesem Fall benötigen, bevor der Anspruch ausgezahlt wird.«
Alarmiert durch seine Zurückhaltung, blickte Lily erst Leonard, dann wieder mich an. »Was für eine »Ermittlung»?« fragte sie. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
Leonard verlegte sich wieder auf seine ursprüngliche Haltung. »Schau, Lil, das kann doch nur helfen«, beschwichtigte er. »Die Versicherungsgesellschaft will der Sache auf den Grund gehen, genau wie wir auch. Die Polizei hat seit Monaten nichts mehr getan.« Er sah mich wieder an. »Sie müssen entschuldigen, aber Lil...«
Sie
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