Kinsey Millhone 02- In aller Stille
weicher, und er schien weniger zurückhaltend. Er nahm einen letzten Zug aus der Zigarette und quetschte dann die Glut davon ab. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin beunruhigt, daß Beverly irgendwie in diese Sache verwickelt ist.«
»Wie das?«
Er schaute mich jetzt nicht mehr an. Er rollte das letzte Ende seiner Zigarette zwischen den Fingern, bis nichts mehr davon übrig war außer einem kleinen Haufen Tabakkrümel und einem Fetzen schwarzen Papiers. »Sie hat Probleme mit dem Trinken. Die hat sie schon eine ganze Weile, obwohl man ihr das wahrscheinlich nicht ansieht. Sie ist einer dieser Menschen, die sechs Monate lang keinen Tropfen trinken, und dann... zack, ist sie weg, auf einem dreitägigen Gelage. Manchmal dauert so ein Alkoholtrip auch länger. Ich glaube, genau das ist auch im Dezember passiert.« Er schaute mich nun an, und seine Wichtigkeit war fast verschwunden. Hier saß ein leidender Mann.
»Wissen Sie, worüber die beiden sich gestritten haben?«
»Ich hab da so eine Ahnung.«
»Ging es um Sie?« fragte ich.
Er starrte mich plötzlich an, und zum ersten Mal kam richtiges Leben in seine Augen. »Wie kommen Sie darauf?«
»Der Nachbar meinte, sie hätten sich vielleicht um einen Mann gestritten. Sie waren der einzige, von dem ich wußte. Wollen Sie mir ein Mittagessen spendieren?«
Wir gingen in eine Cocktailbar namens Jay’s. Sie ist sehr dunkel und hat wuchtige Art-deco-Nischen in grauem Leder und schwarze Onyxtische. Ihre Oberfläche ist so glänzend, daß man fast sein Spiegelbild darin sieht, wie in der Reklame für Geschirrspülmittel. Die Wände sind mit grauem Veloursleder gepolstert, und der Boden unter den Füßen ist so dick mit Matten geschmückt, daß man sich fühlt, als würde man auf Sand laufen. Das ganze Lokal erinnert fast an einen Reiz-Isolationstank, schummerig und leise, aber die Drinks sind riesig, und der Barkeeper stellt unglaublich scharfe Pastrami-Roggensandwiches zusammen. Ich kann mir diesen Laden selbst nicht leisten, aber er kam mir wie die perfekte Umgebung für Aubrey Danziger vor. Er sah aus, als könnte er die Rechnung bezahlen.
»Was für eine Art Arbeit üben Sie aus?« fragte ich, nachdem wir uns gesetzt hatten.
Bevor er antworten konnte, kam die Bedienung. Ich schlug zwei Pastrami-Sandwiches und zwei Martinis vor. Dieser Ausdruck insgeheimen Amüsements erschien wieder auf seinem Gesicht, aber er stimmte mit einem nachlässigen Achselzucken zu. Er war es wohl nicht gewöhnt, daß Frauen für ihn bestellten, doch schaden konnte es anscheinend auch nicht. Ich hatte das Gefühl, das hier war meine Show, und die wollte ich abziehen. Ich wußte, wir würden angetrunken werden, aber ich dachte, das könnte diesem Mann seine Politur nehmen und ihn ein wenig menschlicher erscheinen lassen.
Als die Kellnerin gegangen war, beantwortete er meine Frage. »Ich arbeite nicht«, meinte er, »ich besitze Dinge. Ich bringe Grundstücksgesellschaften zusammen. Wir kaufen Land und errichten Bürogebäude und Einkaufszentren, manchmal auch Wohnanlagen.« Er machte eine Pause, als könnte er eine Menge mehr erzählen, hätte sich aber entschieden, daß soviel reichen müßte. Er nahm wieder sein Zigarettenetui heraus und hielt es mir hin. Ich lehnte ab, und er steckte sich eine weitere schlanke schwarze Zigarette an.
Er neigte den Kopf. »Was hab ich getan, das Sie so vor den Kopf gestoßen hat? Das passiert mir immer wieder.« Das überlegene Lächeln war wieder da, aber diesmal nahm ich es ihm nicht übel. Vielleicht war das einfach die Art, wie sein Gesicht funktionierte.
»Sie wirken arrogant, und Sie sind ein wenig zu raffiniert«, erwiderte ich. »Sie lächeln unentwegt, als wüßten Sie etwas, was ich nicht weiß.« i
»Ich habe seit langer Zeit sehr viel Geld, also komme ich mir raffiniert vor. Und es amüsiert mich tatsächlich, mir einen weiblichen Detektiv vorzustellen. Das ist der eine Grund, warum ich hierhergekommen bin.«
»Was ist der andere?«
Er zögerte und überlegte, ob er ihn mir nennen sollte. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Ich traue Beverlys Berichten über das, was passiert ist, nicht. Sie ist falsch, und sie manipuliert. Ich prüfe so etwas lieber nach.«
»Sprechen Sie von ihren Geschäften mit mir oder mit Elai-ne?«
»Ach, ich kenne ihre Geschäfte mit Elaine. Sie kann Elaine nicht ausstehen. Sie kann sie aber auch nicht in Ruhe lassen. Haben Sie jemals jemanden auf diese Weise gehaßt?«
Ich lächelte vage. »Nicht
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