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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Boca Raton ankam?«
    »Sie sagte, daß sie dahin wollte«, meinte er, »obwohl ich Ihnen mal was sagen will. Mit dem Pelzmantel, habe ich ihr gesagt, sollte sie irgendwohin fahren, wo’s kalt ist. Damit er zu was nutze ist. Sie lachte.«
    Ich fühlte, wie ich innerlich den Pausenknopf drückte, ein schneller Stop des Bildes. Sie war merkwürdig, diese Vorstellung, und sie störte mich. Ich sah Elaine Boldt vor mir, mit ihrem Pelzmantel und dem Turban, auf dem Weg zu Wärme und Sonnenschein, über die Schulter dem Taxifahrer zuwinkend, der sie zum Flughafen gebracht hatte. Er war irgendwie verwirrend, dieser letzte Eindruck von ihr, und mir wurde klar, daß ich mir das bisher nie richtig vorzustellen versucht hatte. Ich hatte die Möglichkeit erwogen, daß sie auf der Flucht war, aber tief im Grunde meines Herzens glaubte ich, daß sie tot war. Ich dachte immer wieder, daß, wer immer Marty Grice umgebracht hatte, auch sie getötet hatte. Ich konnte nur nicht verstehen warum. Nun war diese Ungewißheit wieder in mir hochgekrochen. Etwas stimmte nicht, aber ich konnte nicht rauskriegen, was.

16

    Nun, wenigstens hatte ich damit eine winzige Lebensaufgabe. Als ich Nelson verließ, war er gerade dabei, mit einem Digitalthermometer seine Temperatur zu messen. Schüchtern beichtete er seine geheime Sucht nach solchen technischen Spielereien. Ich wünschte ihm baldige Genesung, sprang in den Wagen und wendete ihn in Richtung Chapel.
    Die Tierklinik ist ein kleiner Kasten aus Glas und Ziegelsteinen, die in der Farbe von Fensterkitt gestrichen ist. Man quetschte sie in die Sackgasse, die entstanden war, als der Highway 101 dort gezogen worden war. Ich mag diese endlosen Reihen von Sackgassen — Überreste der Stadt, wie sie früher einmal gewesen war, eine erfrischende Abweichung von dem vorherrschenden spanischen Stil. Die kleinen Holz- und Fachwerkhäuser in dieser Gegend sind noch ursprünglich viktorianische Hütten für Arbeiter, mit handgedrechselten Verandageländern, exotischer Aufmachung, hölzernen Fensterläden und spitzen Dächern. Heute wirken sie wie schäbige Antiquitäten. Aber man kann sich immer noch die Zeiten vorstellen, als die Häuser neu errichtet und mit frischer Farbe versehen waren. Die ausgewachsenen Bäume waren noch nicht mehr als schmächtige Setzlinge gewesen, die man zwischen frisch gesäte Wiesen gepflanzt hatte. Damals bedeutete Stadt staubige Straßen und Kutschen. Ich scheue mich nicht, zuzugeben, daß ich wünschte, es wäre mehr davon übriggeblieben.
    Ich parkte auf dem Gelände hinter der Klinik und ging durch die Hintertür hinein. Irgendwo weiter hinten hörte ich heiseres Hundegebell; schrilles Flehen um Gnade, Freiheit und Erlösung. Nur zwei Tiere waren im Wartezimmer, beides gelangweilt aussehende Katzen, die sich in Polsterkissen verwandelt hatten. Ihre Menschen sprachen eine Art Katzenenglisch mit ihnen und benutzten dabei besonders hohe Stimmen, die mir den Kopf schmerzen ließen. Von Zeit zu Zeit, wenn ein Hund im Hof zu einem Heulen ansetzte, schien es, als würde entweder die eine oder die andere Katze leicht grinsen.
    Es müssen zwei Tierärzte gearbeitet haben, denn beide Katzen wurden zur gleichen Zeit aufgerufen und den Flur hinunterbefördert. Dadurch war ich mit der Frau von der Anmeldung, die hinter ihrer Theke saß, allein. Sie war Ende Zwanzig, blauäugig, blaß und trug ein blaues Alice-im-Wunderland-Band in ihren glatten blonden Haaren. Auf ihrem Namensschild stand Emily .
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Sie sprach, als wäre sie nie über das Stadium einer Sechsjährigen hinausgekommen; eine leise wispernde Stimme, sanft moduliert, vielleicht eigens entwickelt, um leidende Tiere zu besänftigen. Gelegentlich treffe ich Frauen, die auf diese Art sprechen, und ich finde sie jedesmal rätselhaft, diese immerwährende Mädchenhaftigkeit in einer Welt, in der wir anderen darum kämpfen, erwachsen zu werden.
    Der Umgang mit ihr gab mir gleich das Gefühl, eine Beschützerfunktion übernehmen zu müssen. »Ich überlege, ob Sie mir wohl eine Auskunft geben können.«
    »Nun, ich werde es versuchen«, flüsterte sie. Ihre Stimme war süß und melodisch und ihre Art unterwürfig.
    Erst wollte ich ihr eine Kopie meiner Privatdetektivzulassung zeigen, aber ich fürchtete, das würde brutal und unhöflich erscheinen. Ich entschied mich dafür, sie zurückzuhalten und erst zu zücken, wenn ich gezwungen war, die Schraube anzuziehen.
    »Im vergangenen Januar brachte

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