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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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fünfzehn Fuß zu jeder Seite. Nur ein Mann schoß, und er hatte eine H & K .45er Wettkampfpistole, die Jonah vom ersten Augenblick an faszinierte. Die beiden sprachen über justierbaren Abzug und justierbare Visiere, während ich acht Patronen ins Magazin meiner kleinen Waffe einsetzte. Diese namenlose Halbautomatik hatte ich von der sehr anständigen unverheirateten Tante geerbt, die mich aufgezogen hatte, nachdem meine Eltern gestorben waren. Sie lehrte mich Stricken und Häkeln, als ich sechs war, und als ich acht war, brachte sie mich hier hoch und lehrte mich das Scheibenschießen. Dabei stützte sie meine Arme auf einem hölzernen Bügelbrett ab, das sie im Kofferraum ihres Wagens aufbewahrte. Ich hatte mich in den Geruch des Schießpulvers verliebt, als ich die erste Zeit bei ihr wohnte. Ich hatte draußen auf ihrer Verandatreppe aus Beton gesessen und hatte einen Streifen Zündplättchen und einen Hammer. Geduldig klopfte ich solange, bis jedes seine Ladung Duft hervorgestoßen hatte. Hinterher waren die Verandastufen voller Fetzen roten Papiers und grauer Flecken verbrannten Pulvers von der Größe der Schnallenlöcher in einem Gürtel. Ich glaube, nach zwei Jahren unausgesetzten Hämmerns entschied sie, daß sie mich ebensogut im Umgang mit richtigen Knarren trainieren könnte.
    Jonah hatte seine Colts mitgebracht, und ich schoß mit jedem ein paar Runden, aber für mich waren sie zu große Kaliber. Der Walnußgriff des Trooper fühlte sich wie ein dickes Stück versteinerten Holzes an, und die Vier-Inch-Trommel machte das Zielen zur Qual. Die Waffe schlug in meiner Hand zurück wie ein schneller, automatischer Tritt, wenn der Doktor einem vors Knie klopft. Und jedes Mal, wenn die Waffe zurückschlug, wurde mir eine Wolke Schießpulver ins Gesicht geblasen. Mit dem Python kam ich ein bißchen besser zurecht, aber es war nach wie vor ein unverkennbares, vertrautes Vergnügen, meine .32er wieder zu nehmen — wie Händchenhalten mit einem alten Freund.
    Um fünf packten wir unsere Ausrüstung zusammen und fuhren zu der alten Postkutschen-Taverne, die in einer schattigen Senke nicht weit entfernt vom Schießplatz liegt. Wir bestellten Bier und Brot und gebackene Bohnen und redeten über nichts Spezielles.
    »Wie läuft’s mit Ihrem Fall?« fragte er mich. »Haben Sie schon was ausfindig gemacht?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab da ein paar Sachen, über die ich irgendwann gern mal mit Ihnen sprechen würde, aber nicht im Moment.«
    »Sie hören sich kaputt an«, meinte er.
    »Ich lächelte. »So was tu ich mir immer an. Ich will schnelle Resultate. Wenn ich die Sache nicht in zwei Tagen aufgedeckt habe, werde ich deprimiert. Was ist mit Ihnen? Geht’s Ihnen gut?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich vermisse meine Kinder. Gewöhnlich habe ich die Samstage mit ihnen verbracht. Es war schön, daß Sie angerufen haben. So hatte ich etwas zu tun, außer Trübsal blasen.«
    »Ja, Sie können mich beim Trübsalblasen beobachten«, sagte ich.
    Er tätschelte mir die Hand, die auf dem Tisch lag, und drückte sie leicht. Die Geste war kurz und mitfühlend, und ich drückte zurück.
    Um halb acht oder so brachte ich ihn zu seiner Wohnung zurück und fuhr nach Hause. Ich war es leid, über Elaine Boldt zu grübeln, also setzte ich mich auf die Couch, säuberte meine Waffe, sog den Geruch des Öls ein und fand es entspannend, alles zu zerlegen und abzuwischen und wieder zusammenzusetzen. Danach zog ich meine Sachen aus, wickelte mich in meine Decke und las in einem Buch über Fingerabdrucktechniken, bis ich einschlief.

    Am Montag morgen hielt ich auf dem Weg ins Büro bei Santa Teresa Travel an und unterhielt mich mit einer Angestellten namens Lupe, die wie eine interessante Mischung aus Chicano und Schwarzer aussah, dünn wie eine Katze. Sie war Mitte Zwanzig und hatte eine gelbbraune Hautfarbe und dunkles krauses Haar mit einem leichten Goldton, das ihr kurz um den Kopf herum geschnitten war. Sie trug eine kleine, rechteckige Brille und einen schicken, marineblauen Hosenanzug mit einem gestreiften Schlips. Ich zeigte ihr die Durchschriften des Tickets und erzählte ihr, wonach ich suchte. Meine Vermutung war richtig. Elaine war in den letzten paar Jahren eine regelmäßige Kundin bei ihnen gewesen. Trotzdem schien Lupe über die Durchschriften verwirrt zu sein. Sie zog die Brille tief auf die Nase und schaute mich an. Ihre Augen waren matt goldfarben wie die eines Lemuren, und sie gaben ihrem Gesicht etwas

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