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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sonderbare Einheit, und ich hatte das deutliche Gefühl, daß die Verbindung zwischen ihnen frischer war, als Billy mich glauben machen wollte.
    Die Rede am Grab kam langsam zu ihrem Ende. Aus dem Zelt drangen die dünnen Stimmen der Trauergäste, als sie in eine Hymne einfielen. Lovellas Schluchzen hatte an Intensität zugenommen wie das eines Kindes — einfach und kunstlos, ohne Verlegenheit. Trauerte sie wirklich um Daggett, oder ging hier etwas anderes vor?
    »Was ist das für eine Geschichte, Billy?«
    »Da gibt es keine Geschichte«, murrte er.
    »Hier geht doch was vor. Woher wußte sie von seinem Tod? Von dir?«
    Billy legte sein Gesicht gegen ihr Haar, ignorierte mich.
    Coral schaute von ihm zu mir. »Er weiß nichts.«
    »Coral, möchten Sie darüber reden?«
    Billy warf ihr einen warnenden Blick zu, und sie schüttelte den Kopf.
    Gemurmel und Bewegung im Zelt. Die Menge löste sich auf, und die Leute kamen auf uns zu.
    »Paß auf deinen Kopf auf, ich mach die Autotür zu«, sagte Billy zu Lovella. Er schloß die Tür auf der Fahrerseite und ging vor dem Auto herum, um die Beifahrertür zu schließen. Mit der Hand auf dem Griff blieb er stehen, wartete, daß sie die Knie anzog und ihm damit Platz machte. Nebenbei beobachtete er die Trauernden, die sich noch immer unter dem Zeltdach drängten. Als sich die Menge bewegte, sah ich, wie sein Auge zuckte. »Wer ist das?«
    Er schaute zu einer kleinen Gruppe hinüber, die aus Ramona Westfall, Tony und den Smiths bestand. Die drei Erwachsenen unterhielten sich miteinander, während Tony, die Hände in den Taschen, mit dem Schuh über einen der Klappstühle fuhr, um den Schlamm von der Sohle zu kratzen. Barbara Daggett stand genau hinter ihm, in ein Gespräch mit jemand anderem vertieft. Ich nannte die Namen der einzelnen. Ich dachte, Wayne wäre derjenige gewesen, der seine Aufmerksamkeit fesselte, aber ich war mir nicht sicher. Es hätte auch Marilyn sein können.
    »Warum sind die Westfalls hier?«
    »Vielleicht aus demselben Grund wie Sie.«
    »Sie wissen, warum ich gekommen bin«, sagte er. Er war erregt, klimperte mit den Autoschlüsseln, und sein Blick wanderte zu den Trauernden zurück.
    »Vielleicht erzählen Sie es mir mal.«
    Sein Grinsen besagte: Rechnen Sie nicht damit. Er machte Coral ein Zeichen, und sie kletterte auf den Rücksitz. Er stieg ebenfalls ein, ließ den Wagen an und fuhr davon, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

1 8

    Nach der Beerdigung lud mich Barbara Daggett ins Haus ihrer Mutter ein, aber ich lehnte ab. Eine weitere emotionelle Zirkusvorstellung hätte ich nicht ertragen. Nachdem ich eine gewisse Zeitspanne in der Gesellschaft anderer verbracht hatte, brauchte ich jetzt ohnehin eine Ablenkung. Ich kehrte in mein Büro zurück und saß dort mit ausgeschalteter Lampe. Es war erst vier Uhr, aber dunkle Wolken sammelten sich erneut zum Angriff. Ich schlüpfte aus den Schuhen und legte die Füße hoch, wickelte mich wärmesuchend fester in meine Jacke. John Daggett war jetzt unter der Erde, und das Leben ging weiter. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn man es dabei bewenden ließe. Ich glaubte nicht, daß Barbara Daggett sich einen Deut darum scherte, ob der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, worin auch immer die bestand. Ich hatte nicht viel herausgefunden. Ich dachte, ich wäre auf der richtigen Spur, aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich eine Antwort auf die Frage finden wollte, die Daggetts Tod aufgeworfen hatte. Vielleicht war es besser, das Ganze zu vergessen, es unter die Erde zu schaufeln, mit Würmern und allem. Die Cops hielten es sowieso nicht für Mord, und ich wußte, daß ich es Barbara Daggett ausreden könnte, den Punkt zu verfolgen. Was gab es schließlich zu gewinnen? Es war nicht meine Aufgabe, Daggetts Tod zu rächen. Warum also fühlte ich mich so unwohl dabei? Es war das einzige Mal, soweit ich mich erinnern konnte, daß ich eine Sache fallenlassen wollte. Für gewöhnlich bin ich hartnäckig, aber diesmal wollte ich aussteigen. Ich glaube, ich hätte es mir einreden können, wenn weiter nichts passiert wäre. Aber zufällig klingelte zehn Minuten später mein Telefon und zwang mich zu neuem Handeln. Ich nahm die Füße vom Schreibtisch — reine Formsache — und nahm nach dem ersten Klingeln ab. »Millhone.«
    Eine jung klingende Männerstimme fragte zögernd: »Ist dort das Büro oder der Telefondienst?«
    »Das Büro.«
    »Sind Sie Kinsey Millhone?«
    »Ja. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja,

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