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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sicher auch nicht... dass Bailey wieder in Haft ist. Da muss sich jemand all die Jahre verdammt sicher gefühlt haben. Und sobald der Fall wieder neu aufgerollt wird, kann niemand sagen, wie’s ausgeht.«
    »Da haben Sie Recht. Ich möchte nicht in seinen Schuhen stecken.« Sie rieb sich die Arme, als fröre sie, und lachte nervös über sich selbst. »Ich muss jetzt wieder runter und nach Mutter sehen. Vorhin hat sie geschlafen, aber sie wacht meist nach kurzer Zeit wieder auf. Und sobald sie die Augen aufschlägt, muss ich parat sein.«
    »Ich mache mich nur ein bisschen frisch, dann komme ich nach.« Ich ging zur Tür. Dabei fiel mein Blick auf meine Handtasche und das Kuvert, das Clemson mir mitgegeben hatte. »Halt! Das ist für Ihren Vater. Jack Clemson hat mich gebeten, es ihm zu geben.« Ich reichte es ihr.
    Sie sah mich lächelnd an. »Danke für den Wein. Hoffentlich habe ich Sie mit den Familiengeschichten nicht gelangweilt.«
    »Ganz und gar nicht. Was ist übrigens mit Jean Timberlakes Mutter? Ist sie schwer zu finden?«
    »Wer, Shana? Versuchen Sie’s in der Pool Hall. Dort ist sie fast jeden Abend. Tap Granger auch.«

    Nach dem Abendessen holte ich kurz eine Jacke aus meinem Zimmer und lief die Hintertreppe hinunter.
    Es war eine kalte Nacht, und die Brise, die vom Meer her wehte, war feucht und schmeckte nach Salz. Der Weg bis zu Pearls Billardsalon, zwei Blocks entfernt, war hell erleuchtet. Ganz Floral Beach schien in das orangerote Licht der Natriumdampflampen getaucht, die die Ocean Street säumten. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und das Meer war eine pechschwarze Fläche. Nur der äußere Saum der Brandungswellen, die gegen den Strand schlugen, fing einen schwachen Widerschein der Straßenbeleuchtung ein und glühte golden. Nebel zog auf, und die Luft hatte die gelblich dichte Konsistenz von Smog.
    Als ich mich dem Billardsalon näherte, wurde die Stille plötzlich von den rauen Klängen von Countrymusic durchbrochen. Die Tür stand offen, und schon auf zwanzig Meter Entfernung stieg mir Zigarettenrauch in die Nase. Am Straßenrand vor dem Lokal zählte ich fünf Harley-Davidsons mit viel Chrom, schwarzen Ledersitzen und gekrümmten Auspuffrohren. Die Jungen an meiner Highschool hatten in einer pubertären Phase in der Unterstufe ausschließlich solche Maschinen gezeichnet: heiße Öfen und Rennautos, Panzer, Folterwerkzeug, Schusswaffen, Messer und Grausamkeiten aller Art. Eigentlich sollte man sich mal die Mühe machen, herauszufinden, was aus diesen Jungen geworden war.
    Der Billardsalon war zwei Billardtische lang mit genügend Zwischenraum für schwierige Stöße. Beide Tische waren von den Motorradfreaks belagert: korpulente Männer Anfang vierzig mit Mongolenbärten und langem, im Nacken zusammengebundenem Haar. Es waren insgesamt fünf, eine ganze Familie von Raubrittern der Landstraße. Der Bartresen verlief über die gesamte Wandlänge zu meiner Linken, und auf den Hockern saßen die Bräute der Motorradfreaks zwischen ortsansässigem Publikum. Wände und Decke des Lokals waren mit einer Art Collage aus Bierdeckeln, Tabakwerbung, Autoaufklebern, Cartoons, Schnappschüssen und Barwitzen bepflastert. Ein Spruch erklärte die Zeit von sechs bis sieben zur »Glücklichen Stunde«, doch die darunter abgebildete Uhr zeigte zu jeder vollen Stunde nur die Zahl Fünf. Zum Totlachen! Bowling-Trophäen, Bierkrüge und Tüten mit Kartoffelchips füllten das Regal hinter der Theke. Pearls-Billardsalon-T-Shirts wurden für $ 6.99 zum Kauf angeboten. Von der Decke baumelte ein Motorradhandschuh an einer Schnur, und ein Miller-Lite-Spiegel war mit zwei Damenslips an der Wand befestigt. Der Geräuschpegel war so hoch, dass ein späterer Gehörtest angebracht schien.
    Am Tresen war noch ein einziger Hocker frei. Ich setzte mich. Der Barkeeper war eine Frau Mitte sechzig, vermutlich die Pearl, nach der das Lokal benannt war, klein, füllig um die Hüften, grau meliertes, streng nach hinten gebürstetes, dauergewelltes Haar. Sie trug eine karierte Trevirahose und ein ärmelloses Oberteil, das ihre muskulösen Oberarme freiließ. Es schien nicht ausgeschlossen, dass sie kräftig genug war, gelegentlich einen Motorradfreak mit Schwung am Hosenboden aus dem Lokal zu befördern.
    Ich bestellte Fassbier, das mir in einem Steinkrug serviert wurde. Da der ohrenbetäubende Lärm jede Unterhaltung unmöglich machte, hatte ich ausgiebig Zeit, mich im Lokal umzusehen. Ich schwenkte mit dem Hocker herum, bis

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