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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ich mit dem Rücken zur Bar saß, beobachtete die Billardspieler und ließ den Blick gelegentlich zu meinen Nachbarn am Tresen schweifen. Ich war nicht sicher, wie ich mich verhalten sollte. Erst einmal wollte ich meinen Beruf und den Grund für meinen Aufenthalt in Floral Beach für mich behalten. Die Lokalzeitungen hatten in großer Aufmachung von Baileys Verhaftung berichtet, sodass ich nicht befürchten musste, Verdacht oder Misstrauen zu erregen, sobald ich das Thema anschnitt.
    Neben dem Musikautomaten links von mir begannen zwei Frauen zu tanzen. Die Motorradbräute machten einige gehässige Bemerkungen, aber sonst schien sich niemand um die beiden zu kümmern. Zwei Hocker weiter saß eine Frau Mitte fünfzig. Sie musste Shana Timberlake sein, denn keine andere Frau im Lokal sah alt genug aus, um siebzehn Jahre zuvor eine Tochter im Teenageralter gehabt zu haben.
    Gegen zehn Uhr schwärmten die Motorradfahrer aus dem Lokal. Kurz darauf entfernten sich die donnernden Maschinen auf der Straße. Die Musikbox schaltete gerade auf eine andere Musiknummer, sodass sich für einen Augenblick heilsame Stille im Lokal ausbreitete. »0 Mann!«, sagte jemand, und alle lachten. Wir waren noch ungefähr zehn, die spannungsgeladene Atmosphäre verflog und wurde familiärer. Es war Dienstagabend, der Stammtischtag der Einheimischen. Harte Schnäpse wurden offenbar nicht ausgeschenkt, und der Wein, der hier getrunken wurde, stammte vermutlich aus einem Gefäß von der Größe eines Olfasses und war von entsprechender Qualität.
    Der Mann auf dem Hocker rechts neben mir war Anfang sechzig. Er war groß, mit einem Bierbauch vom Umfang eines Medizinballes und einem breiten Gesicht mit Doppelkinn. Selbst im Nacken, wo grau meliertes Haar über den Kragen hing, hatte sich ein Fettwulst gebildet. Es war mir nicht entgangen, dass er mich gelegentlich neugierig musterte. Das übrige Publikum am Tresen schien sich zu kennen, was ich aus den Gesprächen schloss, die sich hauptsächlich um Politik, Sport und einen gewissen Ace drehten, der am Vorabend ziemlich betrunken gewesen sein musste. Der schüchterne Ace, ein groß gewachsener, hagerer Mann in Jeans und passender Jacke und Baseballmütze, musste sich eine Menge Spott wegen seines Benehmens gegenüber der »guten alten Betty« gefallen lassen, die er offenbar mit nach Hause genommen hatte. Ace schien sich in den Vorwürfen über sein schlechtes Benehmen zu sonnen, und da Betty nicht anwesend war, um den Eindruck zu korrigieren, nahm jeder an, dass er mit ihr geschlafen hatte.
    »Betty ist seine Exfrau«, sagte der Mann an meiner Seite zu mir, um mich in die Unterhaltung mit einzubeziehen. »Sie hat ihn schon viermal rausgeworfen, aber dann lässt sie sich doch immer wieder mit ihm ein. He, Daisy. Wir hier unten könnten auch mal ‘n paar Erdnüsse brauchen.«
    »Ich dachte, sie heißt Pearl«, bemerkte ich, um die Unterhaltung nicht abreißen zu lassen.
    »Curtis Pearl bin ich«, erwiderte mein Nachbar. »Für meine Freunde nur Pearl.«
    Daisy schaufelte mit einem Gefäß, das wie ein Fressnapf für Hunde aussah, Erdnüsse aus einem Eimer unter der Theke und knallte es auf den Tresen. Die Nüsse waren noch in der Schale, und der Abfall auf dem Fußboden machte deutlich, was man von uns erwartete. Pearl schob sich zu meiner Überraschung eine Nuss mit Schale in den Mund. »Hier wird alles verwertet«, erklärte er. »Das ist gesund. Mein Arzt plädiert für faserreiche Kost. Das macht satt und putzt durch, behauptet er.«
    Ich zuckte mit den Schultern und tat es ihm gleich. Kein Zweifel, die Schale war außerordentlich faserreich und schmeckte nach Salz und dem bitteren inneren Häutchen der Nuss. Galt das hier als Körnerersatz, oder konnte man genauso gut Papier kauen?
    Der Musikautomat sprang wieder an, diesmal mit einer sanften Stimme, wie eine Kreuzung aus Frank Sinatra und Della Reese. Die beiden Frauen am Ende der Bar begannen erneut zu tanzen. Beide waren dunkelhaarig und schlank, die eine größer als die andere. Pearl drehte sich um, um ihnen zuzusehen, und wandte sich dann wieder mir zu. »Stört Sie so was?«
    »Nein, warum?«
    »Es ist sowieso nicht das, was Sie vermuten«, fuhr er fort. »Die Größere tanzt gern, wenn sie deprimiert ist.«
    »Und weshalb ist sie unglücklich?«
    »Sie haben gerade den Kerl geschnappt, der vor Jahren ihre kleine Tochter umgebracht hat.«

7

    Ich beobachtete sie eine Weile. Auf diese Entfernung sah sie wie fünfundzwanzig aus. Sie

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