Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung
Angst überwältigt und schrie unterdrückt auf.
Dann überprüfte ich meine Habseligkeiten. Die Reisetasche sah unberührt aus. Es war allerdings durchaus möglich, dass jemand sie geschickt durchsucht hatte. Ich kehrte zum Küchentisch zurück und beäugte meine Papiere.
Die Reiseschreibmaschine stand noch so offen da, wie ich sie verlassen hatte, meine Aufzeichnungen lagen im Aktenordner links daneben. Soweit ich feststellen konnte, fehlte nichts. Ob die Notizen noch in der richtigen Reihenfolge lagen, konnte ich nicht beurteilen, denn ich hatte die Blätter einfach achtlos in den Ordner geschoben. Und das war vor dem Abendessen, also vor gut sechs Stunden, gewesen.
Ich überprüfte das Schloss an der Balkontür. Nachdem ich wusste, wonach ich suchen musste, waren die Spuren unübersehbar, und ich konnte sehen, wo der Aluminiumrahmen neben dem Schloss herausgestemmt worden war. Das Schloss war sowieso eine mehr als simple Konstruktion und kaum geeignet, brutaler Gewalt standzuhalten. Der Griff ließ sich zwar noch bewegen, doch der Mechanismus war zerstört. Die Falle passte nicht mehr in die dafür vorgesehene Öffnung, sodass die Tür praktisch nicht mehr zu verschließen war.
Der Eindringling hatte das Schloss offenbar so belassen und war durch die Tür zum Korridor wieder hinausgegangen.
Ich nahm die Taschenlampe aus meiner Handtasche und untersuchte sorgfältig den Balkon. In der Nähe des Geländers befanden sich ähnliche Sandspuren wie auf dem Teppich. Ich blickte ein Stockwerk tiefer und versuchte mir vorzustellen, wie jemand hier hatte heraufkommen können — möglicherweise durch ein Zimmer in derselben Etage und dann von Balkon zu Balkon kletternd. Die Zufahrt zum Motel führte direkt unter meinem Zimmer vorbei zu einem überdachten Parkplatz im Innenhof. Es hätte also auch jemand an der Zufahrt parken, aufs Autodach steigen und von dort auf den Balkon klettern können. Die Zufahrt wäre dann vorübergehend blockiert gewesen, aber um diese nächtliche Stunde herrschte nur wenig oder gar kein Verkehr. Die Stadt hatte sich schlafen gelegt, und die Gäste des Motels hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen.
Ich rief im Empfang unten an und erzählte Bert, was geschehen war. Ich bat ihn, mir ein anderes Zimmer zu geben. Ich konnte hören, wie er sich am Kinn kratzte. Dann kam seine dünne, helle Stimme durchs Telefon.
»Oje, Miss Millhone. Ich weiß nicht, wie ich das um diese Zeit anstellen soll. Aber gleich morgen früh können Sie umziehen.«
»Bert«, begann ich. »Bei mir ist eingebrochen worden! Ich bleibe auf keinen Fall hier.«
»Schon. Aber ich weiß nicht, ob ich so spät noch etwas machen kann.«
»Sagen Sie jetzt bloß nicht, Sie hätten kein anderes Zimmer frei. Ich kann das Schild Frei von hier aus deutlich sehen.«
Am anderen Ende war es kurz still. »Vermutlich kann ich Ihnen schon ein anderes Zimmer geben«, seufzte er unsicher. »Es ist verdammt spät, aber ich sage nicht unbedingt nein. Was glauben Sie denn, wann es passiert ist? Ich meine, der Einbruch?«
»Was macht das für einen Unterschied? Das Schloss an der Balkontür ist kaputt. Die Tür geht nicht mehr richtig zu und lässt sich natürlich erst recht nicht mehr abschließen.«
»Ja, aber trotzdem. Manchmal täuscht man sich doch. Mit den Jahren geht so manches kaputt. Die Türen hier unten... ein paar jedenfalls...«
»Verbinden Sie mich bitte mit Ann Fowler, ja?«
»Ich glaube, sie schläft. Soll ich vielleicht mal nachsehen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie in Gefahr sind. Natürlich verstehe ich, dass Sie sich Sorgen machen, aber schließlich liegt Ihr Zimmer im zweiten Stock, wie sollte da jemand auf Ihren Balkon kommen?«
»Vermutlich auf demselben Weg wie beim ersten Mal!«, konterte ich spitz.
»Na ja. Also soll ich jetzt mal nachsehen? Für ‘ne Minute kann ich hier unten schon mal weg. Vielleicht finden wir ja ‘ne Lösung.«
»Bert! Verdammt, ich will ein anderes Zimmer!«
»Also ich verstehe Sie ja. Aber da ist auch noch die Haftungsfrage. Ich weiß nicht, ob Sie daran schon gedacht haben. Wir hatten nämlich all die Jahre, seit ich hier bin, und das sind immerhin jetzt fast achtzehn Jahre, keinen einzigen Einbruch. Drüben im >Tides< ist das ganz anders...!«
»Ich... will... ein anderes... Zimmer!«, erklärte ich langsam und überdeutlich.
»O Mann!« Am anderen Ende war es still. »Warten Sie, ich seh nach, was ich tun kann«, antwortete Bert schließlich. »Bleiben Sie dran. Ich
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