Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung
deutete er auf mich. »Frechheiten lasse ich mir von Ihnen nicht gefallen!«
»Großartig. Ich mir von Ihnen auch nicht. Ich mache das entweder, wie’s mir passt, oder Sie können sich jemand anderen suchen.«
Royce erhob sich halbwegs von seinem Stuhl und stützte sich auf dem Tisch ab. »Wie kommen Sie dazu, so mit mir zu reden?« Sein Gesicht war rot angelaufen, und seine Arme zitterten unter seinem Gewicht.
Ich blieb ruhig sitzen und beobachtete ihn ungerührt, während ich innerlich vor Wut kochte. Ich war nahe daran, eine Bemerkung zu machen, die jedoch so beleidigend ausgefallen wäre, dass ich noch zögerte, als Royce plötzlich zu husten begann. Er versuchte den Anfall zu unterdrücken und rang nach Luft. Der Hus-ten wurde nur noch schlimmer. Er zog ein Taschentuch heraus und presste es vor den Mund. Ann und ich starrten ihn gebannt an, alarmiert durch die Tatsache, dass er offenbar keine Luft mehr bekam. Sein Brustkorb zuckte krampfartig, sodass sein Körper mitgerissen wurde.
»Pop, alles in Ordnung?«
Er schüttelte den Kopf und brachte kein Wort heraus. Die Zunge hing ihm aus dem Mund, während der Husten seinen Körper beutelte. Er keuchte und hatte die Hand an der Hemdbrust, als wollte er sich daran festhalten. Ich griff unwillkürlich nach ihm, als er rückwärts auf seinen Stuhl taumelte und nach Luft rang. Ihm zuzusehen, war entsetzlich. Der Husten schien ihn in Stücke reißen zu wollen und förderte Schleim und Blut zu Tage. Schweißperlen standen ihm im Gesicht.
»Mein Gott«, entfuhr es Ann. Sie sprang auf und schlug die Hände vor den Mund. Ori stand wie gelähmt auf der Türschwelle. Ich schlug Royce mit der flachen Hand auf den Rücken, während ich seinen Arm in die Höhe hielt, um seinen Lungen Erleichterung zu verschaffen.
»Rufen Sie einen Notarzt!«, schrie ich.
Ann sah mich ausdruckslos an, erwachte dann aus ihrer Starre und lief zum Telefon. Sie starrte noch immer unverwandt auf das Gesicht ihres Vaters, während ich ihm den Kragen öffnete und an seinem Gürtel zerrte. Wie von fern hörte ich Ann am Telefon den Zustand des Vaters beschreiben und Namen und Adresse durchgeben.
Als sie den Hörer wieder aufgelegt hatte, hatte Royce sich wieder einigermaßen in der Gewalt, aber er war in Schweiß gebadet, und sein Atem ging stockend und schwer. Endlich hörte der Husten ganz auf. Royce war bleich, die Augen lagen tief in den Höhlen, das Haar klebte ihm am Kopf. Ich hielt ein Handtuch unter den kalten Wasserhahn, wrang es aus und wusch ihm damit das Gesicht. Er begann zu zittern. Ich sprach beruhigend auf ihn ein und tätschelte ihm die Hand. Ann und ich konnten ihn nicht tragen, aber es gelang uns wenigstens, ihn auf den Fußboden zu legen. Ann holte eine Decke und schob ihm ein Kissen in den Nacken. Ori schluchzte hilflos. Zum ersten Mal schien sie wirklich zu begreifen, wie krank er war, und sie weinte wie ein Kind. Wahrscheinlich war ihr bewusst geworden, dass er vor ihr sterben würde.
In der Ferne hörten wir schon die Sirene des Krankenwagens. Die Sanitäter erfassten die Situation sofort, und ihre ruhigen und fachkundigen Handgriffe nahmen der Angelegenheit die Dramatik. Royce bekam Sauerstoff, wurde mühsam auf eine Bahre gelegt und zum Wagen hinausgetragen. Ann fuhr mit ihm. Dann war ich plötzlich mit Ori allein. Ich setzte mich. Die Küche sah aus wie nach einer Schlacht.
»Ori? Hallo?« Die Stimme kam aus dem Büro.
»Das ist Bert«, murmelte Ori. »Der Nachtportier.«
Bert spähte ins Wohnzimmer. Ich schätzte ihn auf fünfundsechzig. Er war klein und trug einen Anzug, den er vermutlich in der Kinderabteilung eines Kaufhauses erstanden hatte. »Ich hab gesehen, wie der Krankenwagen weggefahren ist. Alles in Ordnung?«
Ori erzählte ihm, was passiert war, und schien dabei ihr inneres Gleichgewicht wieder zu finden. Bert zeigte sich gebührend mitfühlend, und die beiden tauschten langatmig Erinnerungen an ähnliche Notfälle aus. Dann klingelte das Telefon, und Bert war gezwungen, ins Büro zurückzugehen.
Ich half Ori ins Bett. Ich machte mir Sorgen um ihren Insulinspiegel, aber sie wollte nichts davon wissen, sodass ich das Thema fallen lassen musste. Die Angst um Royce hatte zur Folge, dass sie sich verzweifelt an mich klammerte. Sie suchte Körperkontakt und wollte getröstet werden. Ich kochte ihr Kräutertee, schaltete gedämpfte Beleuchtung ein und saß an ihrem Bett, während sie meine Hand hielt. Sie erzählte von Royce und den Kindern, und ich
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