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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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gewesen?«
    »Richtig, das hat John eine Zeit lang gemacht. Aber die Sache mit Jean ist mir neu.«
    »Hat er Ihnen gegenüber nie so etwas erwähnt?«
    »Nein, aber ich werde ihn fragen.«
    »Warum überlassen Sie das nicht mir?«
    Erneut entstand eine Pause. Jack Clemson war viel zu sehr Profi, um zu widersprechen. »Ja, warum nicht?« Er schrieb eine Adresse und Telefonnummer auf einen Zettel. »Das ist seine Geschäftsadresse.«
    Er riss den Zettel vom Block, gab ihn mir und sah mir direkt in die Augen. »Er hat mit dem Mord nichts zu tun.«
    Ich stand auf. »Hoffentlich nicht.«

16

    Die Geschäftsadresse, die Clemson mir aufgeschrieben hatte, führte mich zu einer riesigen Apotheke in einem Ärztehaus, etwa einen halben Block von der Higuera Street entfernt. Der Gebäudekomplex erinnerte mich an die Zellentrakte einer kalifornischen Mönchsmission, die ich einmal besichtigt hatte: dicke Mauern aus luftgetrockneten Ziegeln, mit künstlich eingebauten Rissen im Mauerwerk, eine Arkade mit einundzwanzig Rundbögen und einer roten Ziegelüberdachung und ein aquäduktartiges Gebilde in der Parkanlage. Auf dem Dachgesims vollführten Tauben ihre Liebesspiele.
    Überraschenderweise lagen in der Apotheke weder Wasserbälle noch Gartenmöbel, Kinderkleidung oder Motoröl zum Verkauf aus. Links vom Eingang waren Ständer aufgebaut mit Utensilien für die Zahnpflege, Hygieneprodukten für die Frau, Wärmflaschen und Heizkissen, Hühneraugenpflaster und Stützkorsagen. Ich betrachtete die Cremetuben und Pillengläser, während die Apothekenhelferin mit einer Kundin über die Wirksamkeit von Vitamin-E-Präparaten bei fliegender Hitze diskutierte. Es roch leicht nach Chemieprodukten, ein Geruch, der mich an die klebrige Beschichtung von frischen Polaroidfotos erinnerte. Der Mann, den ich für John Clemson hielt, stand in weißem Mantel über eine Arbeit gebeugt hinter einer schulterhohen Trennscheibe. Er blickte nicht zu mir herüber, doch sobald die Kundin gegangen war, sagte er flüsternd etwas zu der Helferin, die sich mir zuwandte.
    »Miss Millhone?«, erkundigte sie sich. Sie hatte Hosen und eine gelbe Nylonkittelschürze mit aufgesetzten Taschen an, eines jener praktischen Kleidungsstücke, in denen auch Kellnerinnen und Au-pair-Mädchen herumliefen.
    »Ja.«
    »Bitte kommen Sie hier entlang. Wir haben heute Morgen zwar schrecklich viel zu tun, aber John ist gern bereit, mit Ihnen zu sprechen, wenn er dabei Weiterarbeiten kann. Einverstanden?«
    »Selbstverständlich. Danke.«
    Sie ließ mich unter einer Klappe in der Ladentheke hindurch. Auf dieser Seite standen mehrere Geräte, zwei Bildschirme, eine Schreibmaschine, ein Drucker, ein Mikrofilmlesegerät, ein Handgerät zum Aufkleben von Preisschildern. In den Fächern unter der Ladentheke waren leere Pillenröhrchen aus Plastik zu sehen, Rollen mit Blankoetiketten und beschrifteten Aufklebern. Rechts an der Wand in Regalen vom Boden bis zur Decke das Medikamentenlager mit Antibiotika, Tropfen, Salben und Pillen, alles in alphabetischer Reihenfolge. In meiner Reichweite die gebräuchlichsten Heilmittel gegen so alltägliche Leiden wie Depressionen, Schmerzen aller Art, Schwächeanfälle, Lustlosigkeit, Schlaflosigkeit, Erregbarkeit und Anfälle von Gewissensbissen. Nach der schlaflosen Nacht, die ich hinter mir hatte, hätte ich ein Aufputschmittel brauchen können, doch Betteln lag mir nicht.
    Eigentlich hatte ich erwartet, dass John Clemson wie sein Vater aussehen würde, doch eine Ähnlichkeit war kaum festzustellen. John Clemson war groß und schlank und hatte dichtes, schwarzes Haar. Ich sah sein Gesicht im Profil, es war schmal und scharf geschnitten, mit eingefallenen Wangen unter hohen Backenknochen. Obwohl er ungefähr mein Alter haben musste, wirkte er ausgemergelt und verbraucht, so als sei er krank oder habe Kummer. Er vermied es, mich anzusehen, und konzentrierte sich stur auf die Arbeit. Mit Hilfe eines Spachtels füllte er auf einem Zählbrett Pillen in Röhrchen, die er mit einem Deckel mit Kindersicherung verschloss. Dann wurde das Medikament etikettiert und beiseite gestellt, und die Prozedur begann von neuem, wobei Clemson dieselbe routinierte Geschicklichkeit an den Tag legte wie ein Croupier in Las Vegas. Schmale Handgelenke, lange, schlanke Finger. Ich fragte mich, ob seine Hände wohl nach Desinfektionsmittel rochen.
    »Entschuldigen Sie, dass ich weitermachen muss«, begann er ruhig. »Wie kann ich Ihnen helfen?« Sein Ton klang unterschwellig

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