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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Clemson mir eine Information vorenthalten hatte. Möglicherweise entpuppte sie sich als völlig unbedeutend, aber das zu entscheiden war meine Sache. Die Tür stand offen, und ich ging in die Diele. Die Frau, die von ihrem Schreibtisch aufsah, musste Clemsons Sekretärin sein. Sie war über vierzig, klein und zierlich, mit hennagefärbtem, kastanienrotem Haar, grauen, durchdringenden Augen und einem Silberarmband, das sich in Form einer Schlange um ihr Handgelenk wand.
    »Ist Mr. Clemson da?«, fragte ich.
    »Sind Sie angemeldet?«
    »Ich bin nur schnell vorbeigekommen, um mit ihm über einige neue Informationen zu einem Fall zu sprechen. Mein Name ist Kinsey Millhone.«
    Sie musterte mich prüfend von Kopf bis Fuß, wobei ihr Blick, der von meinem Rollkragenpulli über die Jeans zu den Stiefeln glitt, dezent Missbilligung ausdrückte. Vermutlich sah ich für sie aus wie jemand, den ihr Chef in einem Fall von Sozialhilfebetrug vertrat. »Augenblick bitte. Ich frage mal nach.« Und ihre Miene sagte deutlich, dass Mr. Clemson für mich sehr wahrscheinlich nicht zu sprechen sei.
    Statt die Sprechanlage zu benutzen, stand sie auf und trippelte auf hohen Absätzen durch das Vorzimmer zu Mr. Clemsons Büro, wobei ihr weiter Rock bei jeder Bewegung ihrer schmalen Hüften hin und her schwang. Sie hatte die Figur einer Zehnjährigen. Ich konzentrierte mich während ihrer Abwesenheit unauffällig auf ihren Schreibtisch und starrte auf die Urkunde, an der sie offenbar gerade arbeitete. Auf dem Kopf stehende Texte zu lesen, war eine jener obskuren Fähigkeiten, die ich bei meiner Arbeit als Privatdetektivin erworben habe. »…untersagt das Gericht ausdrücklich, die Antragstellerin zu belästigen, zu bedrohen oder physische Gewalt anzuwenden...« Angesichts der Zustände in heutigen Durchschnittsehen klang das fast nach Flitterwochenstimmung.
    »Kinsey? Schön, Sie zu sehen. Kommen Sie rein.«
    Clemson stand in der Tür. Er hatte das Jackett ausgezogen, den Kragen aufgeknöpft, die Hemdsärmel aufgerollt und die Krawatte gelockert. Offenbar trug er noch immer die Gabardinehose, die er schon vor zwei Tagen angehabt hatte, die hinten ausgebeult und vorn knittrig war. In einer Wolke von Zigarettenqualm folgte ich ihm in sein Büro. Seine Sekretärin trippelte ins Vorzimmer zurück. Alles an ihr drückte Missbilligung aus.
    Auf den beiden verfügbaren Besucherstühlen türmten sich Gesetzestexte, aus denen Papierstreifen als Lesezeichen heraushingen. Ich wartete, bis Clemson Platz geschaffen hatte, damit ich mich setzen konnte. Dann ging er, sichtlich außer Atem von der Anstrengung, hinter seinen Schreibtisch. Kopfschüttelnd drückte er seine Zigarette aus.
    »Ich bin ganz außer Form«, murmelte er und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück. »Was machen wir nur mit diesem Bailey, eh? Der Kerl ist vollkommen verrückt! Einfach zu türmen!«
    Ich berichtete ihm von Baileys nächtlichem Anruf und wiederholte Baileys Version der Flucht, während Jack Clemson sich den Nasenrücken massierte und bekümmert den Kopf schüttelte. »So ein Idiot. Für so was gibt’s keine Entschuldigung.«
    Dann griff er nach einem Brief und warf ihn verächtlich über den Schreibtisch. »Hier, sehen Sie sich das an. Wissen Sie, was das ist? Ein Schmähbrief. Von einem Kerl, der vor zwanzig Jahren verurteilt worden ist, als ich noch Pflichtverteidiger war. Er schreibt mir jedes Jahr aus dem Gefängnis, als sei ich an allem schuld. Die Kerle machen immer nur die Anwälte für ihr Schicksal verantwortlich, nie sich selbst. Oder die Zeugen und die Richter. Der Staatsanwalt steht erst ganz unten auf der Liste. Die wenigsten erinnern sich überhaupt an seinen Namen. Ich habe mir den falschen Beruf ausgesucht«, schnaubte er, beugte sich auf die Ellbogen gestützt über den Schreibtisch und schob ziellos Akten hin und her. »Aber lassen wir das. Wie läuft’s bei Ihnen? Haben Sie was rausbekommen?«
    »Das weiß ich noch nicht«, erwiderte ich vorsichtig. »Ich hatte gerade ein Gespräch mit dem Direktor der Central-Coast-Highschool. Er hat mir erzählt, dass er Jean in den Monaten vor ihrem Tod ein paar Mal in der Baptistenkirche gesehen hat. Es hieß damals, sie sei in Ihren Sohn verknallt gewesen.«
    Im Raum war es plötzlich totenstill. »In meinen Sohn?«, wiederholte er schließlich.
    Ich zuckte lässig mit den Schultern. »Der Junge hieß John Clemson. Ich nehme doch an, dass das Ihr Sohn ist. Ist er nicht Leiter der Jugendgruppe

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