Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung
das Gespräch, stellte das Telefon beiseite und fächelte sich mit einem Umschlag Kühlung zu.
»Ach, Kinsey. Das war ein Tag! Ich glaube, ich brüte was aus. Der Himmel weiß, was ich jetzt schon wieder erwischt habe. Mit wem ich auch spreche, jeder hat Grippe. Ich habe Gliederschmerzen und entsetzliches Kopfweh.«
»Das tut mir Leid«, sagte ich. »Ist Ann zu Hause?«
»Sie inspiziert gerade ein paar Zimmer. Jedes Mal wenn wir ein neues Zimmermädchen kriegen, müssen wir den Leuten erst mal auf die Finger sehen. Und wenn wir sie dann eingearbeitet haben, dann kündigen sie meist wieder, und man kann von vorn anfangen. Aber was ist mit Ihnen? Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht? In eine Glasscheibe gelangt?«
Ich sah auf meine Knöchel herab und suchte nach einer überzeugenden Ausrede. Royce hatte mich kaum engagiert, um die Frau eines stadtbekannten Arztes k.o. zu schlagen. Das war schlechtes Benehmen, und ich war mittlerweile selbst peinlich berührt, dass ich mich so weit hatte gehen lassen. Zum Glück erregten meine Blessuren nur flüchtiges Interesse, und bevor ich noch antworten konnte, war sie wieder mit sich beschäftigt.
Sie kratzte sich am Arm. »Ich habe diesen komischen Ausschlag«, fuhr sie stirnrunzelnd fort. »Sehen Sie die kleinen Pusteln? Das Jucken macht mich verrückt. Von so ‘ner Grippe habe ich noch nie was gehört. Aber was sollte es sonst sein?«
Sie hielt mir ihren Arm entgegen. Ich starrte pflichtschuldig darauf, doch alles, was ich sehen konnte, waren Kratzspuren. Ori gehörte zu den Frauen, die jederzeit lange Monologe über ihre Verdauung halten konnten und offenbar annahmen, damit eine unwiderstehliche Faszination auf den Zuhörer auszuüben. Wie Ann Fowler es hier aushielt, war mir schleierhaft.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »O je! Ich muss rauf!«
»Das lasse ich nicht zu! Sie setzen sich jetzt erst mal zu mir«, erklärte Ori. »Ich weiß auch nicht, was aus meinen Manieren geworden ist... Aber Royce im Krankenhaus, und ich mit meinem neuen Arthritisanfall... Wir hatten noch nicht mal Gelegenheit, uns richtig kennen zu lernen.« Sie klopfte mit der flachen Hand auf eine Stelle an ihrem Bettrand, als sei ich ein Schoßhündchen, dem die Gunst widerfuhr, auf die Couch zu dürfen.
»Das würde ich gern, Ori, aber ich muss...«
»Nein, nein... müssen Sie nicht. Es ist nach fünf und noch nicht Zeit zum Essen. Um diese Zeit muss niemand mehr fort.«
Dazu fiel mir gar nichts mehr ein. Ich starrte sie nur stumm an. Ich habe einen Freund namens Leo, der eine Phobie gegen alte Damen entwickelte, nachdem eine dieser »Ladys« ihm in Papier eingewickelte Hundescheiße in einen Sack gesteckt hatte, mit dem er an Halloween sammeln gegangen war. Leo war damals zwölf gewesen, und davon abgesehen, dass Halloween damit für ihn gelaufen war, hatte das Zeug all seine Süßigkeiten ungenießbar gemacht. Danach misstraute er allen alten Leuten. Ich hatte die Alten stets gemocht, doch allmählich fing ich an, ähnliche Antipathien zu entwickeln.
Plötzlich tauchte Ann im Türrahmen auf. Sie hatte einen Schreibblock in der Hand und warf mir einen geistesabwesenden Blick zu. »Oh, hallo Kinsey. Wie geht’s?«
Ori fiel ihr sofort ins Wort sie konnte es offensichtlich nicht ertragen, dass man sich über ihren Kopf hinweg unterhielt, und streckte demonstrativ ihren Arm vor. »Ann, Liebes, guck dir das an. Kinsey sagt, so etwas hat sie noch nie gesehen.«
Ann blickte ihre Mutter an. »Würdest du bitte eine Minute warten.«
Ori schien die Schärfe in Anns Stimme nicht wahrzunehmen. »Du musst morgen früh als erstes zur Bank gehen. Ich habe Maxine aus der Kasse bezahlt, und es ist kaum mehr etwas übrig.«
»Wo sind die fünfzig geblieben, die ich dir gestern gegeben habe?«
»Davon rede ich doch gerade. Ich habe Maxine bezahlt.«
»Du hast ihr fünfzig Dollar bezahlt? Wie lange war sie denn hier?«
»Bitte nicht in diesem Ton. Sie ist um zehn gekommen und nicht vor vier gegangen, und sie hat nur eine einzige Pause gemacht, um Mittag zu essen.«
»Wahrscheinlich hat sie wieder alles weggegessen.«
Ori wirkte beleidigt. »Ich hoffe, du missgönnst der Frau nicht ihr bisschen Mittagessen.«
»Mutter, sie hat sechs Stunden gearbeitet. Was zahlst du ihr?«
Ori zupfte unsicher an ihrer Bettdecke herum. »Du weißt, dass ihr Sohn krank ist, und sie sagt, sie weiß nicht, wie sie mit sechs Dollar die Stunde rumkommen sollen. Ich habe ihr gesagt, dass wir auf sieben erhöhen
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