Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung
Ausschlag regte sich offenbar wieder, und ich rechnete damit, das Ergebnis jeden Moment begutachten zu müssen. Ich setzte ein resigniertes Lächeln auf, das allmählich erstarb. Oris Atem ging nur noch keuchend, und ein seltsam katzenähnlicher Ton entrang sich ihrer Kehle, als sich ihre Finger in den Arm krampften. Sie sah mich entsetzt durch dicke Brillengläser an, die die Angst in ihren Augen überdimensional vergrößerten.
»O Gott!«, keuchte sie. »Ich kann nicht...« Sie war aschfahl im Gesicht. Ihre Züge schwollen an, und an ihrem Hals bildeten sich heiße rote Flecken.
»Was ist los, Ori? Kann ich was holen?«
Vor meinen Augen verschlechterte sich ihr Zustand so zusehends, dass ich es kaum fassen konnte. Ich lief zum Bett und rief in die Küche: »Ann, kommen Sie! Hier stimmt was nicht!«
»Bin gleich da«, kam es von Ann zurück, und ihr Ton machte deutlich, dass ihr die Dringlichkeit meiner Bitte entgangen sein musste.
»Ann! Um Himmels willen! Machen Sie schnell!«
Und plötzlich wusste ich, wo ich die Szene schon einmal gesehen hatte. Damals war ich acht Jahre gewesen und war zur Geburtstagsfeier des Nachbarjungen Donnie Dixon hinübergegangen. Er war von einer Hornisse gestochen worden und starb, bevor seine Mutter überhaupt in den Garten gelaufen kommen konnte.
Oris Hände griffen an ihre Kehle, ihre Augen rollten, Schweiß brach ihr aus. Es war klar, dass sie keine Luft mehr bekam. Ich versuchte ihr zu helfen, doch es war zwecklos. Sie streckte wie eine Ertrinkende die Arme nach mir aus und packte mich mit solcher Kraft beim Arm, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mir jederzeit ein Stück Fleisch herausreißen.
»Was ist denn los?«, fragte Ann.
Sie stand im Türrahmen, und ihre Miene drückte eine Mischung von Ärger und Resignation aus. Dann schluckte sie, blinzelte, als versuche sie den Anblick, der sich ihr bot, zu deuten. »Was um alles in der Welt... Mutter, was ist los? O mein Gott!«
Seit dem Beginn des Anfalls konnten kaum mehr als zwei Minuten vergangen sein. Ori wurde von Krämpfen geschüttelt, und ich sah, wie sich eine Urinlache unter ihr auf dem Laken ausbreitete. Sie gab Töne von sich, die ich noch nie bei einem Menschen gehört hatte.
Anns Entsetzen machte sich in einem bebenden Schrei Luft, der tief aus ihrer Kehle zu kommen schien. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Telefon und versuchte die Nummer des Notrufs zu wählen. Als sie endlich die 911 gewählt hatte, zuckte Oris Körper wie unter einer Elektroschockbehandlung.
Die Vermittlung für Notfälle meldete sich, ich hörte vage eine weibliche Stimme. Ann versuchte etwas zu sagen, doch ihre Worte wurden zu einem schrecklichen Schrei, als sie das Gesicht ihrer Mutter sah. Ich versuchte mich aufgeregt in Wiederbelebungsmethoden und wusste doch, dass alles umsonst war.
Dann war alles Leben aus Ori gewichen, ihre Augen starrten weit aufgerissen ins Leere. Kein Arzt konnte ihr mehr helfen. Ich warf automatisch einen Blick auf die Uhr. Es war genau neun Uhr und sechs Minuten. Ich nahm Ann den Telefonapparat aus der Hand und verlangte nach der Polizei.
Innerhalb von einer halben Stunde hatten die Leute des Sheriffs den Wohntrakt der Fowlers mit Beschlag belegt: Detective Quintana und sein Kollege, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, der Coroner, ein Gerichtsarzt, dem die Untersuchung der Todesursache oblag, ein Fotograf, zwei Beamte von der Spurensicherung und ein Sachverständiger für Fingerabdrücke, drei uniformierte Polizeibeamte, die Haus und Grundstück sicherten, und die Besatzung eines Krankenwagens, die geduldig darauf wartete, dass die Leiche abtransportiert werden konnte. Alles, was irgendwie mit Bailey Fowler zu tun hatte, würde sorgfältig geprüft werden.
Kurz nachdem der erste Streifenwagen eingetroffen war, hatte man Ann und mich getrennt. Es war unschwer zu erraten, dass man verhindern wollte, dass wir uns absprachen. Die Polizei ging kein Risiko ein. Immerhin konnte man nicht ausschließen, dass wir gerade gemeinschaftlich Ori Fowler umgebracht hatten. Allerdings hätte man ruhig annehmen dürfen, dass zwei Frauen, die skrupellos genug gewesen waren, sie zu töten, sicher auch so schlau gewesen wären, ihre Aussagen vor Eintreffen der Polizei abzustimmen. Möglicherweise wollte man also nur verhindern, dass wir uns ungünstig beeinflussten und damit nicht mehr objektiv blieben.
Ann saß bleich und erschüttert im Esszimmer. Während der Polizeiarzt Ori untersucht und sie nach
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