Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
übernehmen«, sagte er sofort. »Was noch?«
Ich merkte, dass ich meine Worte mit Bedacht wählte. »Ich glaube, dass der Mann selbst auch ein Schwindler war. Er könnte zwar Polizist gewesen sein, aber ich glaube, er hat sich nur als einer ausgegeben.«
»Was hat er für einen Namen genannt?«
»Das habe ich auch gefragt, aber der Angestellte, mit dem ich gesprochen habe, war an dem Tag nicht an der Rezeption, und er behauptet, sein Kollege hätte sich keinen Namen nennen lassen.«
»Sie glauben, es war jemand aus unserem Revier«, sagte er. Es klang wie eine Feststellung, keine Frage.
»Möglich.«
»Ausgehend wovon?«
»Tja, wirkt die zeitliche Übereinstimmung nicht ein bißchen zufällig?«
»Inwiefern?«
»Tom wollte im Zusammenhang mit Pinkie Ritters Tod mit Toth sprechen.
Der andere Kerl ist ihm zuvorgekommen, und das war das Ende des armen Alfie. Tom war ab Mitte Januar, als Toth' Leiche gefunden wurde, mit den Nerven am Ende, stimmt's?«
»Das behauptet Selma.« Rafer gab sich nun reserviert, und er begann wieder, auf den Tisch zu klopfen, wo er mit der Spitze seines Zeigefingers eine rasche Folge von Schlägen trommelte. Vielleicht sandte er mir eine Morsebotschaft. »Wäre denn nicht denkbar, dass es das war, worüber Tom nachgegrübelt hat?
Ich meine, was sollte es sonst gewesen sein?«
»Tom war fünfunddreißig Jahre lang Vollblut-Polizist. Er hat die Ermittlungen in einer Mordsache geleitet, die, wie ich sagen würde, sein Interesse geweckt, ihn aber keinesfalls dazu getrieben hat, nachts wach zu liegen und an den Nägeln zu kauen. Natürlich dachte er über seine Arbeit nach, aber sie hat seinen Herzinfarkt nicht verursacht. Die Vorstellung ist absurd.«
»Wenn er unter massivem Streß stand, könnte das dann nicht dazu beigetragen haben?«
»Warum sollte Toth' Ableben Tom überhaupt Streß bereiten? Das war sein Beruf. Er ist dem Mann nie begegnet, soweit ich weiß.«
»Er hat sich verantwortlich gefühlt.« »Wofür?«
»Für den Mord an Toth. Tom glaubte, dass sich jemand Zugang zu seinem Notizbuch verschafft hatte, wo er Toth' damalige Adresse und Telefonnummer im Gramercy Hotel vermerkt hatte.«
»Woher wollen Sie wissen, was Tom geglaubt hat?« »Er hat es jemandem aus einer anderen Sheriff-Dienststelle anvertraut.«
»Colleen Seilers.« »Genau.«
»Und Tom hat ihr das erzählt?«
»Na ja, nicht explizit. Aber so hätte der Mörder Toth gefunden und ihn umgebracht haben können.«
»Sie haben mir immer noch nicht verraten, weshalb Sie jemanden aus unserer Dienststelle verdächtigen.«
»Ich weite meinen Verdacht aus. Sagen wir, es war jemand von irgendeiner Polizeibehörde.«
»Reine Spekulation.«
»Wer hatte sonst Zugang zu seinen Notizen?«
»Jeder«, antwortete Rafer. »Seine Frau, sein Sohn Brant. Das Haus war die halbe Zeit unverschlossen. Dazu noch die Putzfrau, der Gärtner, die Nachbarn von nebenan und der Typ von gegenüber. Keiner von ihnen hat etwas mit den Polizeibehörden zu tun, aber jeder von ihnen hätte Toms Haustür aufmachen und ohne weiteres hineinspazieren können. Was macht Sie eigentlich so sicher, dass es niemand aus Santa Teresa war? Das Leck muß nicht unbedingt von dieser Seite stammen.«
Ich starrte ihn an. »Das stimmt«, sagte ich. Er hatte wirklich nicht unrecht.
Das Trommeln hörte auf, und er gab sich umgänglicher. »Warum hören Sie nicht auf und lassen es uns erledigen?« »Was erledigen?«
»Wir sind auch nicht nur auf der faulen Haut gelegen. Wir arbeiten an einer Spur.«
»Das freut mich zu hören. Es würde mir ziemlich stinken, wenn ich die einzige wäre, die hier den Kopf hinhält.«
»Sparen Sie sich den Sarkasmus und drängen Sie nicht. Das ist nicht Ihr Job.« »Wollen Sie damit sagen, dass Sie einen Hinweis auf Alfies Mörder haben?« »Ich will sagen, dass Sie gut beraten wären, wenn Sie nach Hause fahren und von jetzt an uns weitermachen lassen würden.« »Und was ist mit Selma?« »Sie weiß ganz genau, dass sie sich nicht in laufende Ermittlungen einmischen darf. Und Sie auch.«
Ich versuchte es auf Seimas Tour. »Es gibt kein Gesetz, das es verbietet, Fragen zu stellen.«
»Das kommt darauf an, wen Sie fragen.« Er sah auf die Uhr. »Vick sitzt im Auto, und wir kommen zu spät zur Kirche«, erklärte er. Er stand auf, zog seinen Mantel zurecht und nahm seine Lederhandschuhe aus der einen Tasche. Ich sah, wie er sie glattzog, und mußte unerklärlicherweise an seine frühmorgendliche Ankunft in der
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