Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
kopfschüttelnd zurück. »Er kommt gleich«, erklärte sie. »Erzählen Sie mir doch, was Sie bis jetzt herausgefunden haben.« Ich holte noch eine Suppentasse und einen Teller, dann zog ich die Besteckschublade auf und nahm Suppenlöffel heraus. Während Selma die Suppe warm machte und die Sandwiches grillte, informierte ich sie über die Schritte, die ich bereits unternommen hatte, und berichtete ihr mündlich, wo ich gewesen bin und wen ich gesprochen habe. Beim Erzählen klangen meine Bemühungen kümmerlich. Aufgrund dessen, was mir Phyllis anvertraut hatte, eröffnete sich mir nun ein neuer Weg, auf dem ich ermitteln konnte. Aber ich wollte nichts davon verlauten lassen, solange ich es nur mit Vermutungen zu tun hatte. Selma hatte die Möglichkeit einer anderen Frau nie auch nur angedeutet, und ich würde das Thema nicht anschneiden, bevor ich Grund dazu hatte.
Brant kam, als wir uns gerade zum Essen setzten. Er trug Jeans und Cowboystiefel, und sein knappes weißes T-Shirt brachte den Erfolg seines Krafttrainings besonders zur Geltung. Selma verteilte Suppe in jede Tasse und halbierte die Sandwiches, von denen sie jedem eines auf den Teller legte. Wir begannen in jener Stille zu essen, die ich leicht beklemmend finde. »Was hat Sie eigentlich auf die Idee gebracht, Sanitäter zu werden?« fragte ich. Ich hatte Brant mit vollem Mund erwischt. Er lächelte verlegen und wies gestikulierend auf die Verzögerung hin, während er sich die Hälfte des Bissens in die Backe schob. »Ich hatte Freunde bei der Feuerwehr, daher habe ich einen halbjährigen Kurs belegt. Ich glaube, Tom hat gehofft, ich würde im Sheriffbüro anfangen, aber das war nicht mein Fall. Ich mag meine Arbeit sehr. Wissen Sie, es ist immer irgendwas los.«
Ich nickte, während er weiteraß. »Ist der Job das, was Sie erwartet haben?«
»Klar. Nur dass es mehr Spaß macht«, antwortete er.
Ich hätte ihn vielleicht noch weiter ausgefragt, wenn ich nicht bemerkt hätte, wie er auf die Uhr sah. Er stopfte sich den Rest des Sandwichs in den Mund und zerknüllte seine Papierserviette. Dann stand er vom Tisch auf und nahm seine halbleere Suppentasse und seinen Teller mit. Er trat an die Spüle und trank noch ein paar Schluck Suppe, bevor er die Tasse ausschwenkte und in die Spülmaschine stellte.
Selma gestikulierte in Richtung Spülmaschine. »Das mache ich doch.«
»Schon erledigt«, meinte er und stellte den Sandwichteller dazu. Ich hörte seinen Löffel im Besteckkorb klirren, bevor er die Maschine zuklappte. Er drückte seiner Mutter einen hastigen Kuß auf die Wange. »Bist du noch eine Zeitlang da?«
»Ich habe einen Termin in der Kirche. Und du?« »Ich glaube, ich fahre nach Independence runter und besuche Sherry.«
»Kommst du heute abend zurück?«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, meinte er.
»Fahr vorsichtig.«
»Es sind ganze fünfunddreißig Kilometer. Das werde ich wohl noch schaffen.«
Er schnappte sich die restlichen Plätzchen vom Teller und steckte sich grinsend eines davon in den Mund. »Back lieber noch ein paar Plätzchen. Die hier waren nicht genug«, sagte er. »Bis später dann.«
Selma verließ nach dem Mittagessen das Haus, und so kam ich nicht mehr dazu, das Thema anzusprechen, das mir inzwischen auf den Nägeln brannte - nämlich eine kurze Fahrt nach Santa Teresa, um mein Auto zu holen. Ich hatte den Leihwagen nun seit über drei Wochen, und die Kosten stiegen mit jedem Tag. Ich hatte nicht mit einem längeren Aufenthalt in Nota Lake gerechnet, daher war meine momentane Garderobe beschränkt. Ich sehnte mich danach, eine Nacht in meinem eigenen Bett zu schlafen. Dazu kam die Geschichte mit der Ermittlerin aus dem Sheriffbüro, der ich nachgehen könnte, wenn ich erst einmal zu Hause wäre. Alles andere, was hier von Interesse war, konnte warten, bis ich nach Nota Lake zurückkäme.
Unterdessen war es an der Zeit, mich mit der Polizei von Nota Lake zu unterhalten. Angesichts der neuen Spur konnte ich mir nicht mehr erklären, inwiefern der Vorfall vom gestrigen Abend mit meinen Ermittlungen zusammenhängen sollte, aber ich hielt es trotzdem für klüger, ihn zu Protokoll zu geben. Ich hinterließ eine Nachricht für Selma, schlüpfte in meine Lederjacke, nahm meine Umhängetasche und ging. Das Polizeirevier von Nota Lake lag in einem unscheinbaren, einstöckigen Gebäude mit verputzter Fassade, einem granitverkleideten Eingang und zwei breiten Granitstufen. Die Fenster und die Glastür hatten
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