Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
Highway 101. Der Tag war mild und diesig und die Landschaft wirkte unscharf, als hätte man sie mit Magermilch übertüncht. Ich drehte die Seitenfenster herunter und genoss den Fahrtwind. Es herrschte wenig Verkehr, und die Fahrt nach Colgate dauerte nicht einmal sechs Minuten.
Ich nahm die Ausfahrt Fair Isle und hielt auf die Berge zu, während ich die erforderliche Anzahl von Straßen abzählte, bis ich links in die York einbog. Das Haus, das ich suchte, lag auf der linken Straßenseite ungefähr in der Mitte. Es war ein Viertel mit Häusern für junge Familien, aber die meisten hatten seit den Sechzigern, als das Gebiet erschlossen wurde, umfassende Renovierungen erfahren. Garagen hatten sich in Spielzimmer verwandelt, Veranden waren verglast, ein zweiter Stock hinzugefügt sowie die Schuppen hinter den Häusern ausgebaut und ans Haus angegliedert worden. Die Rasenflächen waren gepflegt und die Bäume schon derart gewachsen, dass sich an manchen Stellen die Gehwege aufwarfen, weil von unten die Wurzeln durchkamen. Die Kinder, die noch ganz klein gewesen waren, als ihre Eltern einzogen, waren mittlerweile erwachsen und ausgezogen und kehrten nun mit ihren eigenen Kindern in dieses Viertel zurück.
Ich hielt vor einem zweistöckigen weißen Steinhaus mit einem hölzernen Anbau zur Linken und einem aufwendigen neuen Eingang, der vor die Fassade gesetzt worden war und mit mehreren Bogen, einem rustikalen hölzernen Tor, Kletterrosen und üppigen Büschen von Stockrosen, Hortensien und Phloxen aufwartete. Ich ging durch das Tor und stieg die Stufen zur Veranda hinauf. Die Haustür stand offen, und die Fliegentür war angelehnt. Von weit hinten im Haus konnte ich etwas riechen, was auf dem Herd stand: Obst und Zucker. Das Radio in der Küche brachte eine Anrufsendung, und ich hörte, wie der Moderator in streitlustigem Ton jemanden zurechtwies. Ich legte eine Hand auf das Fliegengitter und beschirmte die Augen, damit ich hineinsehen konnte. Die Vordertür war exakt auf gleicher Höhe wie die Hintertür, und so konnte ich bis zum hinteren Gartenzaun schauen, der die beiden Grundstücke trennte. Ich rief: »Hallo?«
Eine Frau plärrte: »Ich bin hier! Kommen Sie hinten rum!« Ich stieg von der Veranda und trottete den Weg entlang, der rechts neben dem Haus verlief. Als ich am Küchenfenster vorbeikam, blickte ich auf und sah sie am offenen Fenster stehen. Sie musste vor der Spüle gestanden haben, da sie sich vorbeugte und den Hahn zudrehte, während sie zu mir herab spähte. Durch das Fliegengitter wirkte sie wie fünfunddreißig, eine Schätzung, die ich um zehn Jahre nach oben korrigierte, als ich sie aus der Nähe sah.
Ich blieb stehen. »Hallo. Sind Sie Cloris Bargo?«
»War ich, bevor ich geheiratet habe. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Sie drehte erneut das Wasser an, und ihr Blick senkte sich auf die Schüssel oder was auch immer sie gerade schrubbte.
»Ich brauche ein paar Informationen. Es dauert bestimmt nicht länger als fünf oder zehn Minuten.« Er war seltsam, mit jemandem zu sprechen, dessen Gesicht einen halben Meter höher war. Ich konnte ihr fast die Nasenlöcher hinaufsehen.
»Ich hoffe, Sie sind keine Vertreterin.«
»Ganz und gar nicht. Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektivin. Ihr Name ist im Zusammenhang mit einem Fall genannt worden, den ich für die Sheriffbehörde bearbeite.«
Sie sah mich direkt an und musterte mich genauer. »Das ist ja ganz was Neues. Ich habe noch nie gehört, dass die Sheriffbehörde Hilfe von außerhalb engagiert.«
»Es ist ein Anliegen eines Detectives im Ruhestand aus dem Norden des Bezirks, der einen alten Mordfall wieder aufrollen will – den mit dem jungen Mädchen, das 1969 erstochen worden ist.«
Sie stellte etwas in den Geschirrständer, trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab und machte das Radio aus. Als sie nichts weiter sagte, fragte ich: »Darf ich reinkommen?« Sie sprach zwar keine Einladung aus, doch sie machte eine Geste, die ich als Zustimmung interpretierte. Ich ging weiter den Weg entlang bis hinters Haus, wo sich die betonierte Einfahrt zu einer Parkfläche weitete. Zur Rechten hatte man zwischen einem Holzpfosten und einem Haken in der Garagenwand eine Wäscheleine aufgespannt. Weiße Laken flatterten träge im Wind. Der Garten war hübsch angelegt; um die Blumenbeete zogen sich etwa dreißig Zentimeter hohe, fertig gekaufte weiße Lattenzäune. Kürzlich hatte jemand Stiefmütterchen und Petunien gepflanzt, die
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