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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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später nur selten gefühlt. Am ehesten allein mit einem Buch. »Götter, Gräber und Gelehrte« war das erste und beste. Hätte sie Nikita nichts von den Ägyptern erzählen sollen? Ach was.
    »Karla! Sind die Schularbeiten fertig? Karla! Man muß immer erst das fertigmachen, was man angefangen hat. Vorher darfst du nicht raus. Du kennst die Abmachung.«
    Gib endlich Ruhe, Mutter, du bist tot.

19
    S onntag ist langweilig. Samstag ist schön. Erwartung liegt in der Luft, steht still wie eine Libelle und bewegt sich doch. Die Freude des Davor, die einzig wahre Freude. Die Leute tragen ihr Zweitbestes und keine verhausten Mienen zur Schau, einige strahlen wie das Wetter, die Geschäfte sind offen. Man hat zu tun. Die Schwalben flitzen, und Nikita kann trödeln. Immer den Kattenbug rauf und wieder runter. Die Mutter putzt die Küche. Macht sie immer, wenn ein Kerl weg ist. Sogar hinterm Herd, als könne sich da ein hartnäckiger Rest seines Verrats versteckt halten. Mit so einem Kummer hält sie sich nicht lang auf, sie wird ja bald schon den nächsten haben.
    Das Treppenhaus ist auch dran, wegen der Nachbarn, die sich gar nicht darüber beruhigen können, wieviel unnötige Aufregung die Mutter ihnen beschert hat, und dann die Schrammen der Fernsehkameras im Putz. Und jetzt noch einen Hund.
    Nikita hat im Drogeriemarkt eine Flasche »General« mit Blütenduft gekauft, in Lila, weil die Mutter das mag, dabei riecht grün besser, findet Nikita. Sie hat alle Flaschen durchprobiert, um die Kitteltante zu ärgern. Erfolgreich. Jetzt hat sie frei.
    »Aber bleib in der Straße, hörst du? Noch mal überleb ich das nicht, wenn du weg bist.« Dazu plärrt Elton John den »Crocodile Rock«. Die Mutter hat pfefferminzgrüne Caprihosen an und riecht schon ganz lila. Als ob Nikita heute woanders hin will. Sie wartet ja auf Karla.
    Kwiatkowski hat gesagt, sie ist nur zwei Stunden von hier weg, und daß sie den Brief heute morgen bestimmt gekriegt hat. Das Mädchen bleibt beim Bauzaun stehen, steckt die Finger durchs Maschennetz und zieht sich heran, stößt sich zurück, zieht sich wieder ran, dabei raschelt und klirrt das Gitter. So kann man Dämonen ärgern.
    Einige Männer arbeiten heute, gegen Sonderzulage. Der Nische mit dem Kellerabgang ganz hinten soll es endgültig an den Kragen gehen, damit der Bagger ran kann. Mit Spitzhaken werden Mauern zersprengt, die Stufen mit Preßluftbohrern zerspalten. Der Bagger wartet, sein Schaufelmaul hängt klaffend im Himmel. Er steht am Rand einer großen Grube, auf zehn Meter ist da schon ausgeschachtet, ein Berg Bodenaushub wartet am anderen Ende der Grube auf Abtransport.
    Zwei Männer richten direkt hinterm Zaun ein Lattengestell auf. Geschäftiges Hämmern, bedächtiges Klopfen. Die Sache steht. Ein schwankendes Schild beschreibt das Bauvorhaben der Krahwinkel AG. Die Zeichnung vom Parkhaus sieht aus wie ein kopfstehendes Schneckenhaus. Was darunter steht, ist langweilig. Nikita geht zurück. Zu den Rosenkreuzern. Im Fenster hängt wieder ein neues Plakat. Ohne Bild. Dafür stehen sehr schwere Wort darauf. Mysterien, etwa. Ein anderes könnte ein Name sein. Nikita buchstabiert angestrengt – T-r-i-s-m-e-g-i-s-t-o-s. Klingt wie ein Zauberspruch. Sie wiederholt die Buchstaben noch mal laut, aber das Wort kann sie sich bestimmt nicht merken.
    »Hada?« fragt Buddy neben ihr. Das Mädchen zieht sich hinter seine Haarsträhne zurück und tastet nach Filous Nacken, sie hält sich im Fell fest.
    »Hada?« wiederholt Buddy und zeigt mit schmutzigem Finger auf das Wort.
    »Laß die Kleine in Ruh«, schimpft Kalle von der anderen Straßenseite herüber. »Wir sind eh schon spät, gibt Krawall mit’m Dachdecker, wenn wir nicht bald bei der Baustelle aufsteppen.« Buddy schaut das Mädchen bittend an. »Hada?« fragt er noch mal traurig, aber Nikita weiß doch auch nicht, was das heißt. Buddy will das Wort so gern noch mal hören. Nikita winkelt ein Bein an und stellt den Fuß auf Spitze, malt damit einen Kreis auf die Pflastersteine. Buddy geht weiter. Nikita schämt sich dunkel und weiß nicht warum. Wo soll sie jetzt hin?
    Zum Büdchen, Lena ist lieb. Und die Mäusemilchtrinker sind ja alle nebenan. Sie trödelt die Straße wieder hoch, stellt sich vor die Theke und spielt mit den Zigarettenstummeln, die in einer Tonschale mit Sand stecken. Nikita richtet sie alle ganz gerade auf. Lenchen bündelt im Hintergrund alte Zeitungen und sieht sie nicht. Der Antiquar kommt aus dem Haus. Er muß nur

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