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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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rasch seine Zigaretten holen, bevor er wieder in den Keller hinabsteigt. Er will nach weiteren Briefen vom Schäng suchen, nach denen ist er süchtig. Er will wissen, ob es darin einen Hinweis auf den Verrat seines Vaters gibt. Was erhofft er sich davon? Absolution. Ein Stechen in der Lunge ist die Antwort, als schabe einer mit der Klinge eines heißen Messers innen durch die Brust. Er sollte weniger rauchen. Ach was, egal.
    Ein wenig verlegen sieht er das Mädchen vor dem Kiosk an. »Na«, sagt er schließlich. Jakobs »Spritzbilla« tönt durch seinen Kopf. Nein, so was kann er nicht sagen, sind nicht seine Worte.
    »Wie geht’s dir, Nikita?«
    »Ich warte auf Karla«, antwortet das Mädchen verblüfft.
    »Dann hoffen wir mal, daß die kommt.«
    »Die muß kommen. Ich hab ihr einen Brief geschrieben.«
    Lena ist an die Theke gekommen, leise, damit sie das Gespräch nicht stört, vielleicht wird das ja was. Einer muß doch mit der Kleinen reden, sonst wird sie noch wunderlich. Ist doch ein Kind.
    »Einen Brief, na dann.« Der Antiquar schaut weg, weil er seine Zweifel nicht verbergen kann. Nicht vor dem Kind. Lena gibt ihm seine Zigaretten. Nikita sortiert die Stummel im Sand zu ordentlich gesteckten Reihen, wie auf dem Friedhof. Da war’s schön, so ruhig. Wo der Jakob liegt, will sie auch mal hin. Mit Karla.
    Das dumpfe Brummen eines Dieselmotors kriecht vom anderen Ende der Gasse herauf. Schweres Auto. Ein Mannschaftswagen, dunkelgrün. Der Antiquar hebt den Kopf, kneift die Augen zusammen, das dunkle Grün gefällt ihm nicht. Er geht ins Haus, hinab in den Keller zu den Regalen und dem Campingstuhl. Eine blaugelbe XOX-Dose wartet. Was Jakob da wieder drin aufbewahrt hat? Er greift sie aus dem Regal und öffnet vorsichtig den Deckel aus Blech.
    Nein, so was.
    Oben in der Gasse gibt der Wagen Gas. Ein Arbeiter, der am Kiosk sein Frühstücksbier bestellt hat, wischt sich die Stirn, entdeckt den Wagen und rennt. Vor dem Trümmergrundstück kommt das Fahrzeug zum Stehen.
    Kwiatkowski steht an seinem Fenster und sieht, daß die Schiebetüren an beiden Seiten mit einem einzigen Ruck gleichzeitig aufgerissen werden. Sechs Männer in dunklem Zivil springen auf die Straße. Zwei verfolgen den laufenden Mann, ein anderer verschwindet sofort auf der Baustelle.
    Er erwischt Buddy, der arglos Sand schaufelt und reißt ihm die Schaufel aus der Hand. Buddys Kollegen tasten mit Blicken wie verängstigte Tiere die Mauern nach Fluchtwegen ab, einer klettert am Metallzaun hoch, unten warten bereits zwei Fahnder, um ihn in Empfang zu nehmen. Der Truppführer steht lässig auf dem Bürgersteig und kaut mit den Schneidezähnen ein einzelnes Kaugummi, unter dem Arm trägt er ein Klemmbrett.
    »Scheiße«, flucht Kwiatkowski am Fenster.
    Schräg gegenüber, zwei Häuser neben dem Kiosk, flucht Rose Quittländer. Sie sucht ihre Handtasche. »Kruzitürken. Wo hab ich die wieder hingelegt? Wo bist du? Verdammtes Ding. Muß doch ganz adrett und trotzdem zufällig aussehen, wenn sie jetzt zum Kiosk geht, aber verpassen will sie nichts, also nimmt sie die braune mit, obwohl die nicht zum blauen Kleid paßt. Das hat sie nicht gern, auch wenn’s eilt. Sie nimmt’s sonst so genau. In ihrem Alter achtet man auf die Kleidung. Der Rest macht sowieso, was er will, und schlägt Falten. Kommen die doch glatt am Samstag. Vor Ostern. Wer rechnet denn damit? Nicht mal die Zeitung weiß jetzt Bescheid.

20
    D er Antiquar sitzt im Keller und hält ein Holzspielzeug in der Hand. Es ist aus Wäscheklammern und einer Drahtfeder gemacht. Ein Turner am Reck, man muß nur unten die beiden Holzstäbchen gegeneinander drücken, und der Turner führt eine schwungvolle Welle – einmal rum – vor. Nun, dieser Turner nicht mehr. Er ist zu alt dafür und die Feder rostig.
    Kwiatkowski ist schneller auf der Straße als die Quittländer, steht schon am Grundstück und verwickelt den Einsatzleiter in ein Gespräch.
    Buddy steht beim Einsatzwagen und duckt sich unter den ungeduldigen Fragen eines Beamten. Er brabbelt nicht mal. Aus dem Augenwinkel sieht Kwiatkowski die hetzenden Fahnder und die schnell sprintenden Arbeiter. Sie liefern sich ein absurdes Fangspiel auf dem Grundstück. Ins Loch und wieder raus, über den Erdhügel und wieder hinunter in weich fallenden Sprüngen, wie bei einem Dünenlauf. Ein Pole sitzt in der schwebenden Baggerschaufel, hält sich geduckt an den Metallzähnen fest.
    Der Truppführer kaut gelassen sein knackendes Kaugummi. »Immer das

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