Kirmes des Todes
Schreibtisch. Der Lokalchef hatte ihn dabei noch nicht einmal bemerkt.
An seinem Arbeitsplatz klingelte fordernd das Telefon. „Helmut, geh’ endlich dran!“, forderte ihn Thea laut durch die Redaktion auf. „Schlaf bloß nicht ein.“
Bevor er sich darüber wundern konnte, daß Thea im Sekretärinnenzimmer saß und nicht Fräulein Dagmar, hatte Bahn schon zum Apparat gegriffen.
„Hier ist der liebe Gottfried“, säuselte es aus dem Hörer und Bahn stöhnte auf. „Und ich will mein Extrahonorar.“ Bahn war perplex. „Warum?“
„Na hör’ mal“, meinte Jansen in gespielter Entrüstung. „Du wolltest doch von mir Informationen über Kirmes-Schmitz alias Loden-Willi oder ganz einfach Willi Schmitz. Weißt du das etwa nicht mehr?“
„Red’ keinen Mist, sag’ mir, was du weißt!“, brummte Bahn. „Da gibt’s nicht viel zu sagen, mein Freund“, begann der Informant. „Der wohnte ganz bescheiden und allein im Grüngürtel. Vor drei Jahren muß dann nach der Annakirmes etwas geschehen sein. Es muß etwas mit einer Versicherungssache zu tun haben. Da ist wohl etwas passiert“, erklärte Jansen vage. Er spielte den Scherzbold. „Vielleicht ist dem ein Bierfaß geflüchtet. Macht fünfzig Mark!“
„Gottfried, du weißt gar nichts“, schimpfte Bahn. „Das ist doch alles kalter Kaffee. Warum lebst du überhaupt?“ Er gab sich dennoch großzügig. „Aber du kriegst dein Geld, keine Bange.“ Bahn legte auf und ging zurück in Waldhausens Zimmer.
Der Lokalchef blätterte in den Pressemappen. „Das ist schon sehr interessant, was hier in Düren abgeht.“
„Hast du etwas gefunden?“
„Vielleicht“, antwortete ihm der Lokalchef ausweichend, „vielleicht aber auch nicht. Es ist noch zu früh.“ Er sah Bahn an. „Was willst du?“
„Es muß etwas passiert sein vor drei Jahren“, erklärte Bahn. „Ich weiß nur nicht was. Unser Freund Gottfried hat da was gehört. Aber er weiß auch nicht, worum es sich genau handelt.“ Waldhausen legte die Mappen zur Seite. „Hast du denn schon einmal in den Zeitungen von damals geblättert“, schlug er seinem Kollegen vor. „Wenn was passiert ist, steht’s bestimmt im Blatt.“ Waldhausen feixte: „Und wenn nicht bei uns, dann aber bestimmt in der DZ.“
Bahn nahm den Vorschlag bereitwillig auf und holte sich aus dem Archivzimmer die alten Tageblatt-Bände.
Die Berichterstattung über die Annakirmes vor drei Jahren war geprägt vom Abschied des Kirmesdirektors. „Ansonsten aber wie immer“, berichtete er Waldhausen, nachdem er die Bände durchgeblättert hatte.
„Und was war nach der Kirmes?“, fragte Waldhausen. „Was soll denn da sein? Da bin ich immer in Urlaub“, fiel Bahn nur ein, „so wie auch in diesem Jahr.“ Die beiden blickten sich eine Zeitlang schweigend an. „Helmut, ich glaube, ich habe da eine ganz verrückte Idee“, brach Waldhausen schließlich das Schweigen.
„Und welche?“ Bahn glaubte sich in einem Film, der sich wiederholte. Er hätte auf Waldhausens Antwort blind einen Hunderter gewettet.
„Das kann ich dir nicht sagen, sonst erklärst du mich tatsächlich für verrückt.“
Schnell und routiniert hatte Bahn seinen Bericht über die Wahl der Miss Annakirmes geschrieben und einige Bilder abgezogen. „Morgen ist Champagner fällig“, frohlockte er. „Morgen bist du im Blatt, großer Meister.“ Er hielt Waldhausen die Fotoabzüge entgegen, die den Lokalchef als Jurymitglied bei der Preisverleihung zeigten. „Du bist noch schöner als unser aller Walter.“
Waldhausen hatte keinen Sinn für diesen Humor. „Helmut, laß’ mich bitte in Ruhe. Ich muß mich konzentrieren“, bat er ihn mit einem deutlichen Hinweis zur Tür. „Raus!“
„Manchmal funktionieren bei dem wirklich nicht alle Rädchen im Gehirn“, lästerte Bahn im Sekretärinnenzimmer bei Thea. Sie hatte anstelle von Fräulein Dagmar ausnahmsweise einmal ganztags gearbeitet, weil sie am nächsten Tag freimachen wollte.
„Kann es nicht sein, daß du nicht sauber tickst oder bei dir die Rädchen locker sind?“ Thea wies Bahn bestimmt darauf hin, daß er ja wohl nur noch in seiner Kirmeswelt lebe und besessen sei von dem Gedanken, Rätsel zu lösen, die wohl nicht zu lösen seien. „Pack dich doch einmal an die eigene Nase, Helmut“, riet sie. „Du siehst doch nur noch Kirmes-Schmitz und Glücks-Fred und vergißt deine Kollegen, die hier schuften.“
„Du spinnst doch!“ Bahn fuhr die
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