Kirmes des Todes
Sekretärin barsch an. „Ihr spinnt alle hier.“ Er schaute sie funkelnd an. „Ich werde hier doch für dumm verkauft“, sagte er erregt. „Ich bin doch der Depp. Es geht mir auf den Keks, wenn Waldhausen immer nur sagt, ich übersehe alles.“
Thea schwieg dazu.
Bahn schnappte sich seine Lederjacke und verließ polternd die Redaktion.
Thea hatte sich von Bahns Wutausbruch nicht verunsichern lassen. Der kommt schon wieder, versicherte sie Waldhausen, der besorgt nach Bahns Benehmen gefragt hatte.
Tatsächlich hatte Bahn schnell die Luft abgelassen und sich beruhigt. „Ich glaub’, ich bin etwas überdreht. Ich brauche ‘ne Pause“, sagte er nach seiner Rückkehr in die Redaktion beinahe schon verlegen zu Thea, die ihn im Flur erwartete. „Am Montag mache ich frei. Wirklich!“
„Wirklich?“ Thea sah ihn provozierend an. „Du machst am Montag wirklich frei? Am Montag, wenn es die große Abschluß-PK der Annakirmes geben soll. Das glaubst du doch selbst nicht.“
Bahn mußte unwillkürlich grinsen. Thea kannte ihn wirklich gut. Sie ist schon eine tolle Frau, dachte sich Bahn. „Na gut, dann mache ich eben am Dienstag frei oder am Mittwoch.“
„Oder überhaupt nicht“, plapperte Thea vergnügt dazwischen. „Oder überhaupt nicht“, bestätigte Bahn. Schließlich werde er bald den Urlaub beginnen. Einmal vierzehn Tage nur mit Gisela und nur im Bett.
„Weißt du eigentlich, warum auch Herr Waldhausen noch unsere Zeitungsbände von Juli und August vor drei Jahren haben wollte?“, fragte ihn Thea, die Bahn damit aus seinen angenehmen Vorstellungen riß. „Du hast doch schon selbst durchgeblättert.“
„Liebe Thea“, dozierte Bahn, „woher soll ich das denn wissen?“ Er seufzte theatralisch. „Dein Chef, der auch mein Chef ist, beliebt es, seine eigenen Wege zu gehen, von denen wir Normalsterblichen und Normalverdienenden dann überrascht werden. Er wird uns schon den richtigen Weg zeigen. Vertraue mir, mein Kind.“
„Helmut, du hast wohl recht.“ Thea drehte sich ab. Sie wurde ins Sekretärinnenzimmer gerufen, wo drängelnd die Hausanlage klingelte. „Mein Chef, der auch dein Chef ist, ruft. Und ich will seinem Ruf gerne folgen.“
„Soll ich dir einmal ein Geheimnis verraten?“, sagte sie wenig später vergnügt zu Bahn, während sie sich auf eine Ecke seines Schreibtisches hockte. „Ich mußte Herrn Waldhausen mit der SPD verbinden.“
„Und warum?“
„Das hat er mir nicht gesagt. Frag’ ihn doch selbst“, forderte sie Bahn auf.
„Ich werde mich hüten, mich in die Angelegenheiten meines Chefs einzumischen, wenn er mich nicht fragt“, lehnte er dankend ab.
„Das ist doch alles Sch…!“ Laut brüllend hatte Waldhausen die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen. „So ein verfluchter Mist!“ Erschrocken und stumm blickten Thea und Bahn den Lokalchef an. Solch einen Wutausbruch hatten sie von ihm noch nie erlebt. „Der Ober-Penner ist tot. Lungenembolie nach einer Thrombose.“ Wütend schaute er Bahn an. „Deine Freunde! Wenn man sie braucht, kratzen sie ab!“
„Da kann doch Helmut nichts für“, mischte sich Thea mit scharfer Stimme ein. Sie erschrak über ihr vehementes Eintreten für Bahn, aber sie konnte Ungerechtigkeit nicht ertragen.
Fast auf der Stelle veränderte Waldhausen sein Verhalten. Schlagartig wurde er wieder sachlich und ruhig. „Während ihr beiden plauderten, hat Küpper angerufen und mich unterrichtet.“ Der Kommissar werde gleich noch über die Pressestelle ein Fax losschicken.
„Ist das eigentlich Mord?“ Bahn versuchte, seine Gedanken zu sortieren.
„Nein“, antwortete Waldhausen schnell, „gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge.“ Er ging wieder in sein Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
„Woher weiß der das so genau?“, fragte der verblüffte Bahn die Sekretärin. Doch Thea zuckte nur mit den Schultern.
Wir machen schon eine merkwürdige Zeitung, dachte sich Bahn, als er die erste Lokalseite für die nächste Ausgabe konzipierte. Waldhausen hatte ihm die Seitengestaltung überlassen, was Bahn auch als Vertrauensbeweis wertete. Auf der einen Seite schreiben wir über das pulsierende und lebensfrohe Kirmestreiben und direkt daneben gibt es Mord und Totschlag. Und alles müssen die Abonnenten oder Käufer meistens morgens beim Frühstück auf nüchternen Magen verdauen.
Das Fax der Kriminalpolizei war kurz. Nach einem Attentat mit einem
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