Kirschenküsse
dem Camp mit meinen Eltern erst einmal zwei Wochen in den Schwarzwald fahren, zu Onkel und Tante.«
»Das macht nichts, wir können uns ja Nachrichten mit dem Handy schreiben. Außerdem habe ich auch noch ein paar Dinge zu erledigen.«
Zum Beispiel meine Freundschaft mit Mona kitten und mich vielleicht auch mit Ivy anfreunden.
»Gut, ich gebe dir nachher meine Handynummer.« Anett strahlte mich an und hüpfte dann vom Tisch herunter, auf dem sie es sich bequem gemacht hatte. Sie hatte direkt auf Carlas Zeichnung gesessen, wie ich erfreut feststellte.
Als ich völlig erledigt aus dem Seminarraum kam, wartete ein Brief auf mich. Sicher hatte Anett ihn mir feinsäuberlich aufs Bett gelegt.
Sie selbst war nicht da, vielleicht machte sie einen Ausflug in die Stadt. Einige aus unserer Modegruppe hatten während des Vormittagskurses davon geschwärmt und Carla und Nicole hatten sich vorgenommen, abends shoppen zu gehen.
Ich dachte schon, Mama hätte mir geschrieben, doch abgesehen davon, dass es kein altes Briefpapier war, stand auch die Adresse von Mona auf der Rückseite.
Allerdings war es nicht meine Freundin, die mir geschrieben hatte. Der Brief kam von ihrer Mutter.
War ihr etwas zugestoßen?
Während mir abwechselnd heiß und kalt wurde und mein Herz zu rasen begann, riss ich das Papier auseinander und faltete mit zitternden Händen den zartrosa Briefbogen auf.
Geplättet ließ ich mich auf mein Bett fallen. Sogar Monas Mutter war aufgefallen, dass etwas nicht stimmte? Offenbar ging ihr Mona mit ihrer Laune so sehr auf den Geist, dass sie keine andere Möglichkeit gesehen hatte, als mir zu schreiben.
Mann, war das komisch! Und was sollte ich nun tun? Mona schreiben, obwohl sie mir nicht mal auf meine Norman-SMS geantwortet hatte?
Ich brauchte jemanden zum Reden! Jemanden, der mir raten konnte, was ich tun sollte.
Anett würde sicher erst später wieder zurück sein und so fiel mir nur Thomas ein. Nach dem gestrigen Kuss glaubte ich, dass er der Richtige war, um darüber zu reden. Vielleicht hatte er ja sogar eine Idee, was ich Mona schreiben könnte, damit sie mir nicht mehr böse war.
Außerdem hatte ich ihn den ganzen Tag über nicht zu Gesicht bekommen. Morgens nicht, weil ich verschlafen hatte, und den Rest des Tages auch nicht, weil ich nachholen musste, was mir durch den Verlust meines ersten Entwurfes und den einen Tag Aussetzen an Zeit verloren gegangen war.
Zu blöd, dass wir gestern Abend nicht noch verabredet hatten, wann wir uns wiedersahen. Ich hoffte, ihn am See anzutreffen und wenn nicht dort, dann vielleicht im Kirschengarten, wo er sich Kirschen als Nachtisch zum Abendbrot holte. Was ich übrigens auch wieder machen wollte!
Beim Verlassen des Schlosses kam mir Anett entgegen, begleitet von Nicole und ein paar Mädchen aus unserer und auch aus den anderen Gruppen. Sie hielt eine große Tüte in der Hand, die sie mir stolz präsentierte. Immerhin sah sie nicht so aus, als hätte sie weitere Prospekte gehamstert. Ich sagte, ich werde mir ihre Beute später anschauen, und lief weiter durch den Park.
Auf dem Weg zum See hielt ich nach Thomas Ausschau. Eigentlich hatte er schon Feierabend, aber es war möglich, dass er noch irgendwo nach dem Rechten sah. Als ich am Bogengang vorbeikam, glaubte ich, seine Stimme zu hören. Ich lief freudig los – und erstarrte auf der Stelle, als ich bemerkte, dass ein Mädchen bei ihm war. Und es sah nicht so aus, als würde es ihn von irgendeiner Arbeit abhalten.
»Wenn du willst, kannst du mich ja mal im Internat besuchen«, tönte eine Stimme, die mir nur allzu bekannt vorkam. »Mein Vater würde dir die Reise notfalls bezahlen.«
Carla! Mir wurde flau im Magen, als ich beobachtete, wie sie Thomas anhimmelte. Baggerte sie ihn etwa an?! Oder was hatte sie sonst bei ihm zu suchen? Sie würde doch ganz sicher nicht irgendwelche Pflegetipps für Gartenpflanzen von ihm haben wollen!
Plötzlich wusste ich, was sie da tat. Das war ihre Rache dafür, dass ich sie letztens so angeschnauzt hatte! Sie hatte mich gestern mit Thomas im Park gesehen und hatte sich wahrscheinlich ihren Teil gedacht, zumindest jedenfalls, dass ich ihn mochte.
Am liebsten wäre ich zu den beiden gegangen, doch meine Beine trugen mich letztlich nur bis zum Bogengang, wo ich, durch einen Baum geschützt, die gesamte Szene beobachten konnte.
Sie redeten miteinander, worüber, konnte ich jetzt jedoch nicht mehr verstehen. Dann reichte Carla ihm einen Zettel, stellte sich auf die
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