Kismet in Kairo
endlich hatte sich der Mann gefaßt.
Scharf zischte er durch die Zähne. Der Schweiß lag auf seiner Oberlippe. Er bedeckte auch die Stirn und rann in kleinen Rinnsalen nach unten.
Das Wasser lockte. Nach wie vor war die Kehle trocken. Er drehte den sternförmigen Griff nach links. Wie auf Kommando schoß der leicht trübe Strahl durch die Öffnung in das Becken.
Als sich der Mann vorbeugte, überkam ihn wieder der Schwindel, doch es gelang ihm, von dem Wasser zu trinken.
Es war eine Wohltat. Er konnte es nicht beschreiben. Hassan freute sich so sehr über diesen Trank, daß seine Augen anfingen zu tränen. Er weinte, aber er trank weiter. Freuen konnte er sich jedoch nicht. Ein Mensch, der sich innerhalb kürzester Zeit in einen Greis verwandelt und sämtliche Kräfte verloren hatte, konnte sich nicht mehr freuen.
Er trank das kühle Naß nicht nur, er ließ es auch über sein Gesicht laufen. Die Erfrischung war einfach wunderbar, und Hassan genoß sie noch länger.
Irgendwann richtete er sich schwerfällig auf. Er blickte nicht mehr in den Spiegel. Die Augen hielt er gesenkt und halb geschlossen, so daß er nur das grauweiße Innere des Waschbeckens sah. Seine Arme zitterten, er keuchte. Wasser tropfte von seinem Gesicht und rann auch aus den Haaren. Er war nicht nur alt, sondern auch kurzatmig geworden.
Er wollte liegen.
Liegen und sterben.
Mit diesem Gedanken drehte er sich um. Auch diese Bewegung dauerte ihre Zeit. Hassan hatte sie noch nicht vollzogen, als er das leise Frauenlachen hörte.
Auf seinem Körper zuckte es, als hätte ihn der Schlag mit der Peitsche getroffen. Plötzlich fing er an zu zittern, in seinem Hirn formierten sich zahlreiche Gedankenfetzen zu einem Ausspruch.
Sie ist wieder da!
Hassan hob mit einer mühevollen Bewegung den Kopf. Selbst das konnte er nicht richtig steuern. Als er dann nach vorn schaute, da sah er, daß er sich nicht geirrt hatte.
Sie war zurückgekehrt. Diesmal würde sie es zu Ende bringen.
Bestimmt, diese teuflische Schönheit lebte einfach davon, anderen das Leben auszusaugen.
Ich habe sterben wollen, dachte Hassan. Aber nicht so. Nein, nicht auf diese Art und Weise. Nicht so schrecklich und auch menschenunwürdig.
Damit hatte Fatima nichts am Hut, das erkannte er an ihrem Lächeln, als sie sich ihm näherte.
Sie ging, doch es war kein Laut zu hören, und deshalb sah es aus, als würde sie über den Boden gleiten. Ihr Lächeln war wissend, gierig und spöttisch.
»Bitte, laß mich leben!«
»Ich brauche dich, Hassan. Ja, ich brauche dich!« Mehr sagte sie nicht, plötzlich war sie bei ihm, und sie war wahnsinnig schnell, so daß er nichts unternehmen konnte. Sie griff zu.
Hart, was aber nicht zu sein brauchte, denn schon bei der geringsten Berührung sackte der Mann in die Knie. Plötzlich lag er auf dem Rücken, und er sah die schöne Fatima wie einen Engel über sich schweben, doch sie kam nicht aus dem Paradies. Sie wollte den Tod.
Sie wollte die Kraft der Menschen. Sie brauchte noch einen letzten Kick, bevor sie sich einer anderen Aufgabe widmete.
Fatima holte es sich.
Minuten später verschwand sie wieder. Zurück blieb ein auf dem Küchenboden liegender Greis, der bereits ein wenig mumifiziert wirkte!
***
Gizeh hatten wir erreicht, die gewaltige Totenstadt südlich von Kairo.
Wir hatten uns einen Leihwagen genommen, einen Jeep, der nun im Schatten dieser mächtigen Bauwerke stand, die aussahen, als wären sie im Strom der Zeiten vergessen worden.
Es waren bereits einige Stunden vergangen. Der Morgen lag hinter uns, auch der Nachmittag quälte sich bereits durch die zweite Hälfte, und hoch über uns lag ein blaßblauer Himmel.
Um uns herum herrschte kaum Betrieb. Touristen ließen sich nur wenige blicken. Die meisten Souvenirverkäufer hatten ihre Stände und Buden geschlossen oder waren mit ihnen ganz verschwunden. Uns umgab eine schon ehrfürchtige und würdige Stille, als wollte sie dieser Totenstadt den nötigen Respekt zollen.
Suko und ich hatten uns ziemlich ruhig verhalten. Im Gegensatz zu Walter Hogland. Je näher wir unserem Ziel gekommen waren, um so aufgeregter wurde er. Auch jetzt konnte er nicht an einem Punkt stehenbleiben und mußte immer auf- und abgehen und sich umschauen, als wartete er darauf, daß jeden Augenblick Besuch erschien. Aber die Toten meldeten sich nicht. Seit Jahrtausenden gaben sie Ruhe. Sie blieben in ihren mächtigen Gräbern, die von ihrem Geist durchweht waren.
Unsere Blicke fielen aus
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