Klack: Roman (German Edition)
sich regelmäßig an den Abenteuern der Fanny Hill oder den Bekenntnissen der Josefine Mutzenbacher, ließ sich aber nicht dazu überreden, mir eins dieser Einhand-Standardwerke zur Selbstbedienung zu überlassen. Erst als ich ihm Jailhouse Rock von Elvis überließ, »aber nur leihweise« – die Platte hatte ich meinerseits leihweise aus Hannas Album stibitzt –, händigte er mir den Roman Frauen und Mönche aus. »Aber nur bis morgen.«
Die Stellen waren schnell gefunden, weil der Seitenschnitt an ihnen verschwitzt abgegriffen war. Die Geschichte spielte in Russland, handelte aber nicht vom Krieg, sondern von Frauen, die ein besonderes Faible für geile Mönche hatten und sich diesen lebenslustigen Gottesmännern nach Belieben hingaben. Als ein Jahr später der Pater, der unsere Jugendbewegtheit im Zeltlager betreut und uns Wachsamkeit gegenüber dem Bolschewismus eingebimst hatte, plötzlich in eine andere Gemeinde versetzt wurde, gab es über die Gründe allerlei Getuschel, das mich an Frauen und Mönche denken ließ.
Bevor die Tanzstunde meine Wünsche in Wirklichkeit verwandeln würde, musste jedoch noch eine letzte Hürde genommen werden: der Krawattenknoten. Mein Vater und ich standen vor dem Garderobenspiegel im Flur; er hinter mir, die Arme über meine Schultern gelegt, und seine Hände führten meine Hände, um die komplizierte Verschlingung zustande zu bringen, die da erstmals vor meinem Hals entstehen sollte. Und während er mich ins harmloseste Geheimnis der erwachsenen Männerwelt einwies, erzählte er, dass sein Vater, mein Großvater, den ich nie erlebt hatte, sondern nur aus Erzählungen kannte, ihm seinerseits und seinerzeit auf diese Weise beigebracht habe, wie aus zwei schlaff hängenden Stoffenden ein fester Knoten zu binden war.
»Benimm dich anständig«, gab er mir noch mit auf den Weg und entließ mich mit einem wohlwollenden Lächeln in die Tanzschule Gellermann & Sohn, in der auch schon meine Mutter tanzen gelernt hatte.
Auf einer Seite des Saals saßen die Mädchen in ihren kleinen Schwarzen und Konfirmationskostümen, verlegen kichernd oder demonstrativ desinteressiert ihre Schuhspitzen musternd, auf der anderen Seite wir in schlecht sitzenden Anzügen, weißen Nyltesthemden und den würgend korrekt geknoteten Krawatten, die Hände schweißnass und die Blicke unstet über die Auswahl scheuer Mädchenblüte flackernd.
»Meine Herren«, rief munter der elegante Tanzlehrer, der & Sohn vom alten Gellermann, »bitte fordern Sie auf!«
Wir glitschten stolpernd übers glatte Parkett und schnitten uns gegenseitig die Wege ab, um ja nicht die kleine Pummelige oder die Dürre mit der Brille zu erwischen, sondern die schlanke Blonde, von der gemunkelt wurde, dass sie sich schon öfter habe küssen lassen. Aber als ich sie fast erreicht hatte, verbeugte sich bereits einer meiner Nebenbuhler vor ihr, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als der drahtigen Dunklen mein »Darf ich bitten?« anzutragen, was sie mit einem schüchternen Lächeln aus grünen Augen huldvoll annahm.
& Sohn stand am Plattenspieler und legte einen Tango auf, interpretiert von Franz Thon und seinen Solisten, die man auch im Radio zur Musik zur blauen Stunde immer mal wieder zu hören bekam. Musik à la Raupenbahn kam bei Gellermann natürlich nicht in die Tüte. »Tango, Ausgangsposition bitte«, erklang das sonore Kommando des Maestros, »und dajammdamdamm, dajammdamdamm, jawohl, und fließend bitte, und links, rechts, vorbei-seit-schluss und Wie-ge-schritt!«
Meine linke Hand in ihrer rechten, ihre linke auf meinem rechten Oberarm, meine rechte Hand auf ihrem Rücken, wo ich die Wärme ihrer Haut durch den glatten Synthetikstoff des Kleids spürte. Beim Wie-ge-schritt berührten sich unsere Schenkel, dajammdamdamm, mein Unterkörper stieß gegen ihren Bauch, meine Dame zuckte nicht zurück. Mir fiel eine Stelle aus Frauen und Mönche ein.
»Und gleich noch einmal, meine Herrschaften, und flie-ßend, vorbei-seit-schluss, die Damen graziler bitte, die Herren nicht so steif«, oh ja, nicht so steif, »dajammdamdamm und Wie-ge-schritt!«
Ihr kleiner Busen drückte gegen mein Zwerchfell.
So zog ich hüft- und gliedsteif mit wechselnden Damen meine Kreise, tanzte Tango mit Doris, Walzer mit Renate, Foxtrott mit Sabine und Cha-Cha-Cha mit Gisela. Und Doris begleitete ich nach den Tanzstunden zwei- oder dreimal Händchen haltend zur heimischen Haustür, musste mich aber ungeküsst und unbefriedigt wieder trollen. Den
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