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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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sammelte Oma nämlich mit Kehrblech und Strohbesen auf und schwor, dass das erstklassiger Dünger für die Beerenbüsche sei. Pferd und Wagen waren zwar ein Relikt aus Omas Welt, aber geboren aus der Not der Nachkriegszeit, warf diese versunkene Welt noch ein paar späte Echos in meine Kindheit. Bevor Mitte der Fünfzigerjahre in unserem Haus die Ölheizung eingebaut wurde, heizten wir die Öfen mit Torf, weil der viel billiger als Briketts oder Eierkohlen war. Geliefert wurde der Torf mit einem Pferdefuhrwerk, das aus einem Moordorf kam. Und dann lag ein riesiger, würzig duftender Torfhaufen auf dem Gehweg. Hanna und ich halfen dabei, die Soden in Weidenkörbe zu packen, die mit einem Flaschenzug über dem Dachbodenfenster auf den Speicher gehievt und dort an der Wand zum Juchhe, in dem still und unauffällig der saubere Herr Tabbert hauste, aufgestapelt wurden.
    Inzwischen war Heizöl billiger als Torf, und das Juchhe war sowieso nur mit einem Heizlüfter ausgestattet. Strom, meinte Oma, koste ja auch nicht die Welt, und wenn demnächst der Strom aus Atomen angezapft werden würde, gebe es ihn quasi umsonst.
    »War der alte Hermann denn ein Zigeuner?«, fragte ich.
    »Unsinn.«
    »Aber das ist doch gar kein Pferd, sondern ein Hanomag. Hab ich in meinem Autoquartett. Dieselmotor. 50 PS. Zwei Tonnen Nutz–«
    »Du holst jetzt sofort Vati«, flüsterte meine Mutter aufgeregt. »Oder nein, weck ihn lieber nicht. Sonst geht er in die Luft und hat den ganzen Tag schlechte Laune.«
    »Und erzählt uns dann, wie im Krieg der Iwan auch noch mit Pferdewagen im –«
    »Markus! Werd nicht frech«, sagte sie, aber ich konnte sehen, dass sie sich ein Lächeln verkniff. »Lauf schnell runter und sieh dir das an.«
    Das hätte sie mir gar nicht zu sagen brauchen, weil der grün-weiß-rote Wagen etwas auszustrahlen schien, das mich anzog und lockte wie etwas Verbotenes.
    »Aber sei ganz vorsichtig. Und zieh dir was über, damit du dich nicht ansteckst. Ich meine, damit du dich draußen nicht erkältest«, sagte sie, und als ich schon im Flur war, rief sie mir nach: »Und nimm deinen Apparat mit und mach ein Foto!«
    »Wieso das denn?«
    »Zur Sicherheit«, sagte sie. »Man kann ja nie wissen.«
    Ich lief mit meinem Anorak gerüstet und der Kamera bewaffnet auf die Straße und ging um das geheimnisvolle Gespann herum. Auf der dem Haus zugewandten Seite des bunten Wagens befand sich eine große, geschlossene Luke, wie ich sie von den Wagen vom Ostermarkt kannte. Heruntergeklappt würde die Luke zu einem Tresen und der Wagen zu einem Verkaufsstand oder fahrbaren Laden. Oberhalb der Klappe war ein weißes Schild angebracht.
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    Die schwungvollen Buchstaben des Namens waren grün, die anderen rot. Eine Eisbude auf Rädern also. Erfreulich, aber gar nicht geheimnisvoll und auch nicht besonders zauberhaft.
    Klack.
    »Was machst du da?«, fragte hinter meinem Rücken ein helles Stimmchen.
    Ich fuhr herum und sah einen kleinen, vielleicht sechsjährigen Jungen aus der offen stehenden Haustür des Schandflecks auf mich zukommen. Er trug einen grünen Pullover, hatte schwarze Haare und riesige, dunkle Augen. Unter dem Arm hielt er einen abgewetzten Teddybären.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Guten Tag«, sagte er artig und merkwürdig formell, als hätte er das Guten-Tag-Sagen eben erst gelernt.
    »Was machst du da?«, wiederholte er und zeigte dabei auf die Kamera.
    »Ich –, äh«, wie ertappt versteckte ich die Kamera hinter meinem Rücken, »ich wohne hier.«
    »Hier?«, sagte der Junge und drehte sich Richtung Haustür. »Hier wohnen wir jetzt aber.«
    »Ja, ich meine, ich wohne da.« Ich deutete auf unser Haus.
    »Ach so«, sagte der Junge. »Das ist Tonio.« Er hielt mir den Teddybären entgegen. »Und wie heißt du?«
    »Ich bin Markus. Und du ziehst hier also ein? Woher kommt ihr denn eigentlich?«
    »Aus Bochum«, sagte er.
    Obwohl auf dem Nummernschild des Hanomags schwarz auf weiß ein BO-Kennzeichen prangte, hatte ich natürlich nicht mit Bochum gerechnet, sondern mit Rom oder Mailand. Oder Capri. Capri wäre schön gewesen. »Kommt ihr etwa nicht aus It–«
    »Enzo?«, rief eine weibliche Stimme, sodass mir Alien im Hals stecken blieb. »Lorenzo!«
    Der Junge drehte sich wieder um. In der Haustür erschien ein Mädchen. Roter, eng anliegender Pulli, unter dem sich ein BH abzeichnete. Schwarzer, knielanger Rock. Schwarze, schulterlange Haare. Sie rief dem Jungen etwas zu, was

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