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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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die Wand. Ihre Finger krümmten sich wie von selbst, als wollten sie sich durch Stein und Mörtel graben. Mit einer Willensanstrengung, die beinahe wehtat, nahm sie die Arme wieder herunter.
    »Und Sie haben keine Ahnung, was dahinter ist?«, fragte Herzog argwöhnisch.
    Wortlos schüttelte sie den Kopf. Sie stand zwischen ihm und der Wand. Der Lampenschein projizierte ihren Schatten übergroß auf das nackte Mauerwerk.
    »Aber wir wären nicht hier«, sagte Herzog, »wenn Sie nicht eine Idee hätten.«
    »Es hat mit von Stille zu tun. Mit dem, was hier in diesem Haus geschehen ist.« Sie drehte sich zu ihm um und wurde von seinem Licht geblendet. »Und deshalb auch mit Theodora.«
    Ein Vorhang aus glühenden Staubpartikeln hing zwischen ihnen in der Luft. Sie sah Herzog jetzt nur undeutlich, hörte aber an seinem Tonfall, dass er wütend wurde. »Leonhard von Stille hat Alzheimer. Der Mann ist debil. Sternberg hat das bestätigt.«
    »Und Sie trauen Sternberg?«
    »Nennen Sie mir einen Grund, der dagegenspricht.«
    »Als ich heute mit von Stille gesprochen habe, war er so klar wie Sie und ich.«
    Herzog ächzte. »Sie glauben, dass er mir das vorgespielt hat? Und dass er etwas mit dem Mord zu tun hat? Sternberg und er gemeinsam?«
    Das dachte sie keineswegs, aber sie war froh, dass er sie nicht gleich als Lügnerin oder Verrückte abstempelte. Im Augenblick war ihr jeder Verdacht recht, der Herzogs Interesse an dem zugemauerten Durchgang aufrechterhielt.
    Sie trat ein wenig zur Seite, damit er wieder die Wand anstrahlen konnte. Dabei fiel ihr Blick auf etwas, das bislang hinter ihm verborgen gewesen war.
    Neben der offenen Tür, durch die sie gekommen waren, lehnte eine Spitzhacke.
    »Hinter Ihnen«, sagte sie.
    Er fuhr herum. »Die haben nicht Sie dort hingestellt, oder?«
    »Ich schwöre Ihnen, ich war nur ein einziges Mal in diesem Haus, und da waren Sie dabei.«
    »Und Sie haben auch nicht den Putz von der Wand geschlagen.« Mehr Feststellung als Frage, aber mit einem Unterton verhaltenen Misstrauens.
    »Verdammt, nein! Wieso sollte ich   –«
    »Wieso sollte irgendwer das tun?«
    »Ich bin sicher, von Stille hat gewollt, dass ich herkomme.«
    »Als ich mit dem alten Mann gesprochen habe, war er kaum in der Lage, einen ganzen Satz zu bilden, geschweige denn, hier herauszufahren und mit einer Spitzhacke auf Wände einzuschlagen.«
    »Aber jemand hat eine Spur gelegt.« Für mich , hätte sie beinahe gesagt, weil sie wusste, dass es so war. Von Stille. Sternberg. Sebastian. Erik. Einer oder mehrere von ihnen waren in diese Sache verwickelt.
    »Kennt Sebastian Teusner von Stille?«, fragte Herzog,während er ihr die Taschenlampe reichte und die Hacke in beide Hände nahm.
    »Weiß ich nicht.« Sie deutete mit einem Nicken auf das Werkzeug. »Was ist mit Fingerabdrücken?«
    »Sehen Sie irgendwo ein Verbrechen?«
    »Noch nicht.«
    »Dann machen Sie nicht solche Andeutungen, sonst muss ich Sie festnehmen, wenn hinter dieser Wand eine Leiche liegt.«
    Er hob die Hacke und ließ sie mit alle Kraft gegen das Gestein krachen. Splitter und Mörtel zerbarsten unter dem Aufprall.
    Ein Zittern ging durch Anais Körper, halb Euphorie, halb ahnungsvolles Frösteln. Der Sog gewann wieder an Intensität. Sie hatte gewusst, dass sie hier etwas finden würden, obwohl sie dieses Zimmer noch nie betreten hatte.
    Herzogs Schläge krachten mit wachsender Wucht gegen die Wand. Ein kopfgroßes Stück brach aus dem Mauergefüge und fiel zur anderen Seite. Anais versuchte, aus einigem Abstand in die Öffnung zu leuchten, aber noch war sie zu klein.
    »Der Durchgang ist nicht erst vor Kurzem zugemauert worden«, sagte er zwischen zwei Hieben. »Das ist alles viel zu brüchig.«
    Wieder fielen Ziegelsteine nach hinten weg. Als Herzog innehielt, hörten sie drüben nicht einen, sondern mehrere Aufschläge, die nach und nach leiser wurden.
    »Das sind Stufen«, sagte sie. »Eine Treppe nach unten.«
    Er machte sich wieder an die Arbeit.
    »Sie haben nicht das ganze Haus durchsucht, oder?«, fragte sie. »Bevor wir zusammen hier waren, meine ich.«
    »Dazu gab’s keine Veranlassung.«
    »Dann haben Sie auch keine anderen Kellertreppen gesehen?«
    »Doch. Ich war sogar unten. Aber da waren nur drei oder vier Räume, und das war weiter hinten, kurz vor dem zerstörten Flügel. Und es gab keine Verbindung zu einem zweiten Keller in diesem Teil des Gebäudes.«
    Kurz darauf stürzte das restliche Mauerwerk unter Getöse in sich zusammen. Herzog

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