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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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ihren Schuhen, als sie gemeinsam das Foyer durchquerten und den Weg zu den hinteren Räumen einschlugen. Der Geruch von frischem Regen wehte durch die hohen Zimmer und Flure.
    Unterwegs sagte sie: »Ich war heute im Institut. Ich hab mit Sternberg gesprochen. Und mit von Stille.«
    »Und natürlich haben Sie mehr aus den beiden herausbekommen als meine Kollegen und ich.«
    »Haben Sie mit von Stille geredet?«
    »Nur kurz, soweit das eben möglich war.«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Soweit das möglich war?«
    »Allzu gesprächig war er nicht.«
    »Mit mir hat er über meine Stiefmutter gesprochen.«
    Herzog hatte die Lampe auf die Wand gerichtet undmusterte Anais in der Peripherie des Lichtkegels. »Hat er etwas über dieses Haus gesagt? Sind wir deshalb hier?«
    »Mehr oder minder. Lassen Sie uns einfach nachsehen, ja? Ich verspreche Ihnen, ich erklär’s Ihnen dann, so gut ich kann.«
    Er murmelte etwas, das wie ein unterdrückter Fluch klang, aber schließlich nickte er.
    Durch eine der Türen, aus denen längst die Holzflügel verschwunden waren, betraten sie den großen Saal an der Rückseite. Hier war der Regen wieder lauter, durch die zerstörte Fensterfront zum See trieb Nässe herein. Die Terrasse lag in tiefer Schwärze, während der Lampenschein über den Mauersockel unterhalb der Fenster strich. Wellenrauschen drang vom Ufer herüber, der Wind peitschte das Wasser auf.
    Anais blieb stehen und wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass der unheimliche Sog zurückkehrte. »Leuchten Sie bitte mal da rüber.«
    Herzog hatte sie nicht aus den Augen gelassen und folgte mit der Lampe ihrem Blick. Der Lichtkegel legte sich über die offene Seitentür. Rahmen und Wand wurden weiß angestrahlt, aber der Raum dahinter wirkte nur noch dunkler.
    »Was ist da drüben?«, fragte er.
    »Das finden wir jetzt raus.«
    »Erleuchten Sie mich vorher mit Ihrer Vermutung?«
    Anais seufzte. »Das meinte ich mit Intuition. Heute Morgen, als wir hier miteinander geredet haben, hatte ich das Gefühl, dass mich   …«   – sie zögerte einen Moment   – »…   dass mich irgendwas dorthin zieht.«
    In seinem Gesicht regte sich nichts. »Wie Neugier?«
    »Nicht ganz. Eher   … ein Zwang. Ich konnte es fast körperlich spüren.« Sie sah ihm an, was er dachte, und fragte sich, ob er bei der Überprüfung ihres Alibis auch auf ihreKrankenakte zugegriffen hatte. War er dazu überhaupt bevollmächtigt? Falls ja, dann wusste er von den Therapien, der ersten im Internat und den vielen weiteren danach. Und von den Medikamenten, die sie wegen Lilys Besuch abgesetzt hatte. Sie war nicht mehr sicher, wann sie begonnen hatte, die Dosis schrittweise herabzusetzen, um das Mittel bis zu Lilys Ankunft auszuschleichen. Vor vier Wochen? Vor fünf?
    »Okay«, sagte er tonlos. »Wir schauen nach.«
    Er ging voraus, nicht mehr ganz so schnell wie bisher. Ihr entging nicht, dass er vorsichtiger geworden war, fast, als rechnete er damit, dass ihm jemand auflauern könnte. Anais’ Komplizen beim Mord an Theodora vielleicht.
    Er trat in den Türrahmen und leuchtete in den Raum dahinter. Dabei versperrte er ihr mit seinem Körper die Sicht. Sein Haar hing wirr über den Rand seiner Kapuze. Anais stand so dicht hinter ihm, dass sie den nassen Stoff riechen konnte.
    Plötzlich spürte sie es wieder, wenn auch nicht mit solcher Macht wie am Morgen. Es fühlte sich anders an, geduldiger. So, als wäre der Sog bereits sicher, dass er gewonnen hatte und Anais bald genau dort sein würde, wo er sie haben wollte.
    Eine halbe Minute lang schwenkte Herzog den Lampenschein von einer Seite des Zimmers zur anderen. Dann machte er endlich einen Schritt nach vorn. Anais glitt rasch an ihm vorbei.
    Kurz war ihr, als huschte etwas am Rand ihres Gesichtsfelds durch die Finsternis, genau dort, wo es im Raum am dunkelsten war. Aber auf den zweiten Blick war dort nichts zu sehen, nur eine Wand mit wirren Schmierereien.
    Das Zimmer war leer bis auf ein paar Haufen aus abgebröckeltem Stuck und Herbstlaub. Es war viel kleiner alsder Saal, höchstens fünf mal fünf Meter. Auch Fenster gab es nicht, aber in der gegenüberliegenden Wand befand sich eine zugemauerte Tür.
    Jemand hatte eine dünne Putzschicht heruntergeschlagen und die eingefügten Steine sichtbar gemacht. Die Mauer selbst war unversehrt. Der graue Staub am Boden hatte sich mit der Feuchtigkeit zu einer kreidigen Schmiere vermischt.
    Anais ging zielstrebig auf die Stelle zu und legte beide Hände an

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