Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
beeindruckend, alles getrunken hatte, was wir tranken (Belle, die für ihr allnachmittägliches Glas – oder Gläser, je nachdem – Scotch liebte, konnte uns alle unter den Tisch trinken und tat das auch praktisch das ganze Wochenende über. Der Drink in New Orleans ist ein Ding namens Hurricane, eine mörderische Mischung aus Fruchtsäften, Rum und Gott weiß was sonst noch. In einer Bar beschloss Belle, das müsse sie probieren, fragte den Barkeeper aber, ob er einen »Scotch Hurricane« mixen könne. Der Barkeeper hatte seine Bedenken, das sah man, er tat aber, wie ihm geheißen wurde. Belle befand das Gebräu für köstlich – und trank zwei davon). Meine Mutter gab ihrer Schwester die Lobeshymnen von der Ostküste weiter, und im Hintergrund hörte ich Belle, über das Kompliment eher empört als entzückt sagen: »Was ist schon dabei? Was glauben die eigentlich, wie alt ich bin – neunzig ?«
Belle war diejenige aus der Familie, die meiner Mutter am nächsten stand. Obwohl meine Mutter damals fast siebzig war, war sie immer noch die kleine Schwester, und Belle war sehr fürsorglich. Belle war im Grunde die Beschützerin der gesamten Familie, der Kitt, der sie alle zusammenhielt. Das lag zum Teil sicher an ihrer Herkunft und ihrem Aufwachsen. Sie war ein Kind der Weltwirtschaftskrise, das vierte von sechs Kindern und diejenige, an der alles hängen blieb. Es gab einen älteren Bruder, der besser behandelt wurde, nur weil er ein Junge war. Es gab zwei ältere Schwestern. Eine sah absolut hinreißend aus und konnte sich daher alles erlauben. Eine war schlau und hatte daher viele Chancen. Dann kam Belle, die wegen des Ausbruchs der Weltwirtschaftskrise als einziges Kind nicht aufs College ging und gezwungen war, schon früh und unaufhörlich zu arbeiten. Als meine Mutter und ihr jüngerer Bruder auf der Welt waren, nach einem Abstand von etlichen Jahren, ging für das Land die schwere Zeit zu Ende, und das Leben normalisierte sich wieder, sodass den beiden »Babys« der Familie die meisten jener Härten erspart blieben, die Belle erdulden musste. Infolge des Timings und der Zeiten und gewisser Entscheidungen, die Belle im Laufe ihres Lebens getroffen hatte, war sie mit achtzig Jahren zäh, unabhängig, zutiefst zynisch und fürchtete sich vor so gut wie gar nichts.
Ich sage »fast«, denn sie fürchtete sich vor einer und nur vor dieser einen Sache.
Sie haben’s erraten …
Katzen.
Was bedeutete, dass sie entsetzt war, als ihr klar wurde, dass sie nicht nur mit einen Katzenklo vor den Füßen zur Sweetwater Farm fahren musste, sondern auch mit einer Katze, die nur wenige Zentimeter von ihr entfernt hockte. Sie war schon mit Norton zusammen gewesen, aber immer auf Abstand. Niemals in solcher Nähe.
Wir fuhren los, Belle und meine Mutter auf der Rückbank. Ich fuhr. Janis saß auf dem Beifahrersitz mit Norton auf dem Schoß. Normalweise wäre Norton nur zu froh gewesen, vorne sitzen zu dürfen (meist durfte er das nicht; Janis bestand darauf – sie fand es zu gefährlich. Ich wollte ihn natürlich wie immer so nah wie möglich bei mir haben. Norton wusste das, und wenn wir nur zu dritt waren, wartete er immer, bis Janis einschlief, schlich sich dann sofort nach vorne und setzte sich auf meinen Schoß oder auf seinen Lieblingsplatz, meine Schulter). Auf diesem Trip jedoch spürte Norton von irgendwoher im Wagen Feindseligkeit. Einer solchen Herausforderung konnte er nie widerstehen. Also versuchte er immer wieder, auf die Rückbank umzuziehen, es sich dann auf der Hutablage gemütlich zu machen und Belle vom Feind zum Freund zu bekehren. Die erste halbe Stunde verging weitgehend damit, dass Norton wartete, bis Janis’ Griff sich lockerte. Dann schlich er sich rasch nach hinten. Belle geriet in Panik. Meine Mom griff nach ihm. Und er landete wieder vorne bei Janis, die ihn zum Dableiben zu überreden versuchte.
Die zweite halbe Stunde verging damit, dass Norton sich auf der Hutablage zusammenrollte. Belle sah, wie finster er entschlossen war, ihr nahe zu kommen, also willigte sie ein, ihn neben sich zu dulden – solange sie ihn nicht anfassen musste. Meine Mutter behielt den Kater fest im Auge und ließ ihn nahe kommen, aber nicht zu nahe.
Nach einer Stunde Fahrt machten wir eine Lunchpause im Black Bass Inn in Bucks County, einem der tollsten Lokale an der Ostküste. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert und, von der Modernisierung des Speisesaals abgesehen – Panoramafenster, die sowohl riesig als auch
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