Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
grässliche Dosenfutter zurückgreifen – das wäre ja genauso, als würde man zu einem sterbenden Menschen sagen: »Okay, jetzt bekommst du für den Rest deines Lebens nur noch McDonald’s-Fast-Food zu essen« –, ich wusste, dass er Shrimps ganz besonders gern mochte. Er mochte sie viel lieber als Hühnchen, viel, viel lieber als Hackfleisch oder sogar als Steak. Es war nicht gerade das absolut Allerbeste für ihn, aber mein Kater liebte Shrimps, also bekam er in diesem Stadium seines Lebens Shrimps. Zweimal täglich, wenn es sein Wunsch war, obwohl ich zu variieren versuchte, damit er sie nicht leid wurde (allerdings schien er sie nie leid zu werden). Ich muss sogar gestehen, dass ich die Shrimps für ihn jetzt meistens in den besten Fischgeschäften kaufte, zum Beispiel bei Balducci’s, damit sie frisch und perfekt waren. Einmal aber war ich im nächstgelegenen Supermarkt, und ich hatte es eilig, also kaufte ich dort in der Fischabteilung eine Packung. Sie waren vollkommen in Ordnung, es waren nur, Sie wissen schon, nicht die besten. Aber als ich zur Kasse ging, hielt mich eine ältere Frau an, offensichtlich jemand, der aufs Geld achten musste, und sagte, die Shrimps, die ich kaufte, sähen köstlich aus. Ohne nachzudenken sagte ich, sie seien für meine Katze. Sie sagte: »Sie müssen viel Geld haben. Ich kaufe so etwas zweimal im Jahr für mich – wenn ich mir etwas Besonderes gönnen will.« Zu Tode erschrocken über meinen gedankenlosen Fauxpas versuchte ich, mich stotternd zu rechtfertigen und sagte: »Ja, ich mag meine Katze eben sehr.« Und sie bekam so einen sehnsüchtigen, abwesenden Ausdruck in den Augen und sagte: »Ich wäre gern Ihre Katze.« Ich sagte, das ginge vielen Leuten so, und fragte sie, ob es ihr etwas ausmachte, wenn ich ihr ein kleines Geschenk kaufte. Sie sagte, das würde ihr überhaupt nichts ausmachen, also kaufte ich noch eine Packung Shrimps und gab sie ihr. Sie freute sich sehr.
Auch abgesehen von diesem täglichen und häufig zweimal täglichen Vergnügen, seine crevettes zu mümmeln, erlebte Norton immer noch längere Phasen, in denen er sich absolut prima fühlte. Ein paarmal traten solche Phasen ein, nachdem Marty ihm Epogin verschrieben hatte, das die roten Blutkörperchen wieder vermehrt und die Anämie stoppt. Die erstaunlichste Erholungsphase aber trat ein, als Marty mir etwas namens Poly- MVA schickte. Marty hatte kürzlich gesehen, dass es Wunder wirkte, und selbst Diannes Praxispartnerin, auch eine großartige Ärztin mit Namen Ann Wayne Lucas, hatte Bemerkenswertes mit einer Katze erlebt, die es bekam. Dr. Lucas hatte gesehen, wie ein Tumor – ein Lymphdrüsenkrebs auf der Nase der Katze, der sie, da waren sich alle einig, in wenigen Tagen umbringen würde – nicht nur schrumpfte, sondern völlig verschwand.
Also verabreichte ich Norton nach Anweisung ein paar Dosen Poly- MVA (dazu musste ich eine Spritze benutzen), und tatsächlich schien es Norton danach in vielerlei Hinsicht besser zu gehen, aber dieses Mal war die Behandlung ein Notbehelf, wie selbst ich zugeben musste. Ich musste ein für allemal einsehen, dass ich eher früher als später meine geliebte Katze verlieren würde.
Als wir all das in Diannes Praxis diskutierten, weinte ich ein bisschen (schon gut, schon gut, hört schon auf – ich weinte sehr viel ! Ich versuche nur, hier einigermaßen männlich zu wirken). Sie konnte nicht genau sagen, wie lange Norton noch leben würde. Es könnten noch mehrere Monate sein, sagte sie. Es könnten aber auch nur noch wenige Wochen sein. Sobald sich diese elende Krankheit einmal auszubreiten beginnt, kann sie sich schnell ausbreiten. Und sie kann sich verheerend auswirken.
Außerdem sprach sie etwas an, über das ich noch nicht einmal nachgedacht hatte. Nein, das stimmt nicht. Es war etwas, über das nachzudenken ich mich geweigert hatte. Sie begann mir zu erklären, dass ich irgendwann – nicht jetzt , betonte sie sogleich, als sie meinen Gesichtsausdruck sah –, aber wenn und falls es nötig sein sollte, die Entscheidung treffen müsse, ihn einschläfern zu lassen. Ich nickte, als sei das etwas, mit dem ich umgehen könne wie ein reifer Erwachsener, dann wollte ich sie etwas fragen und brach in Schluchzen aus. Das ging ein paar Sekunden so, bis ich mir die Tränen abwischte, mich zusammenriss, beschloss, dass ich okay war, und noch einmal mit der Frage anfing. Ich bekam höchstens das erste Wort über die Lippen, brach wieder in Tränen aus, musste da
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