Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
starr sein wie ein Fahnenmast. Wer ein Einzelgänger ist, für den wird eine Zeit kommen, wo er nur noch zum Einsiedler werden will. Das Alter bringt unsere Marotten an den Tag und lässt sie wuchern und räumt unsere Widerstände und Hemmungen aus dem Weg, sodass man keine andere Wahl hat, als sie wuchern zu lassen. Meine Katze war das beste Beispiel dafür. Als Norton älter wurde und dem Tode näher kam, wurde er lieber. Sanfter. Und sogar mutiger. Es war ein erstaunlicher Anblick.
Im Lauf der letzten Wochen hatte ich meinen Freunden und Bekannten schließlich doch erzählt, dass Norton krank war. Es war jetzt offensichtlich, also sah ich keinen Grund mehr zur Geheimhaltung. Sobald sich die Sache herumsprach, kamen viele Anrufe. Ich war darüber ziemlich verblüfft. Die Leute riefen an, um zu hören, wie es mir ging, sicher, aber eigentlich machten sie sich Sorgen um Norton und wollten ihre Besorgtheit zeigen. Er war einer von ihnen – und das wollten sie ausdrücken. Susan Burden (das ist diejenige, die wir an dem Tag besuchten, als Norton Präsident Clinton sah) sagte, sie habe ihre Mutter in Florida angerufen, um ihr zu erzählen, dass Norton Krebs hat, und sie sagte, ihre Mutter sei in Tränen ausgebrochen. Nancy Alderman rief an, um sich nach dem kleinen Kerl zu erkundigen. Nachdem ich ihr alles erzählt hatte, gab sie ihrem Sohn Charlie den Hörer. Wir unterhielten uns und legten dann auf. Nancy rief kurz darauf noch einmal an und sagte, sie habe Charlie gefragt, ob er mich nach Norton gefragt hätte. Charlie sagte – mit gedämpfter Stimme: »Oh nein, ich habe Norton gar nicht erwähnt .« Es hatte etwas ausgesprochen Liebes, wie ein Neunjähriger versuchte, mir den Schmerz zu ersparen, den ich, wie er wusste, doch empfand.
Mehrere Autoren, mit denen ich arbeitete, riefen mich in dieser Zeit an, um zu hören, wie es meinem Kleinen ging. Meine gute Freundin Micheline rief jeden Tag an. Norm Stiles, der mittlerweile selbst eine erstaunlich anbetungswürdige Scottish Fold namens Gozzie besaß, rief praktisch stündlich an. Ich hatte mit meinem alten Freund Roman Polanski gesprochen, der in Paris zusammen mit Norton viel erlebt hatte. Roman tat es weh, vom Leiden meiner Katze zu hören, und er rief an diesem Wochenende in Sag Harbor an, um sich nach ihm zu erkundigen. Fast alle, die ich kannte und die auch Norton kannten, riefen an diesem Wochenende an und erkundigten sich nach ihm. Es war überwältigend.
Ich brachte ihn zu Dr. Turetsky und Dr. Pepper, zum ersten Mal seit Monaten; sie waren erstaunt, wie zerbrechlich Norton wirkte. Pepper untersuchte ihn sehr, sehr behutsam. Als ich ihm erzählte, dass Norton Schwierigkeiten mit der Verdauung hat, dass er jedes Mal Schmerzen zu haben schien, wenn er aufs Katzenklo ging, verpasste der Tierarzt ihm ein Klistier (das war das Einzige, zu dem ich mich nicht imstande fühlte, allerdings wissen wir mittlerweile wohl alle, dass ich könnte, wenn ich denn müsste). Und Dr. Pepper wog Norton. Er wog nur noch zwei Kilo (statt der üblichen vier). »Er ist eine erstaunliche kleine Katze«, sagte Turetsky, als ich ging, und ich wusste, das war seine Art, seinem langjährigen Patienten die Ehre zu erweisen und Abschied von ihm zu nehmen. Und das war auch der eigentliche Grund, warum ich ihn hergebracht hatte.
Ich wartete, bis wir wieder in der Stadt waren, bevor ich meine große Idee endlich mit Janis besprach. Ich erwartete, dass sie mich für verrückt oder mindestens für einen sentimentalen Narren halten würde. Stattdessen lächelte und nickte sie und sagte, sie halte das für eine ausgezeichnete Idee. Als ich versuchte, mir meinen eigenen Plan auszureden, sagte sie, ich solle aufhören zu denken und es einfach durchziehen. Ich brauchte einen klaren Abschluss, sagte sie. Ich brauchte etwas Besonderes, was mir über einen sicherlich verheerenden Verlust hinweghelfen würde. Sie sagte, meine Idee sei tatsächlich etwas Besonderes. Und es fühle sich richtig an. Und dann sagte sie das, was ich eigentlich hören wollte: dass Norton es lieben würde.
Also besuchte ich Dr. DeLorenzo und erzählte ihr, was ich vorhatte. Sie fand es ein bisschen merkwürdig, aber mittlerweile war sie Merkwürdiges gewohnt, was mich und Norton anging, also gab sie mir grünes Licht. Sie sagte, ich solle mich darauf gefasst machen, dass es mit Norton jederzeit bergab gehen könne – und schnell bergab gehen könne –, aber im Moment sah es so aus, als sei er dem geplanten Abenteuer
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