Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
und eine zweisitzige Holzbank.
Überall auf dem Grundstück verstreut standen Kirschbäume, und in den wenigen Jahren, seit wir mit unserer Frühlingsreisegruppe dort gewesen waren, hatten sie weitere Pferde angeschafft, und die eingezäunten Paddocks sahen sehr viel besser aus.
Ich checkte bei Rick und Grace ein, dem Wirtsehepaar, die sich freuten, mich zu sehen und, wie immer, noch mehr freuten, Norton zu sehen. Ich sah allerdings, dass sie von seinem Aussehen geschockt waren. Auch wenn er nur seinen Kopf aus der Schultertasche reckte, um hallo zu sagen, konnten sie sehen, dass es ihm nicht gut ging. Rick tätschelte ihm freundlich und sanft den Kopf und sah mich traurig an. Ich nickte. Ich hatte beschlossen, dass Nicken im Allgemeinen das Beste für mich war, weil es schwierig ist zu weinen, wenn man nur heftig genug nickt.
Wir bekamen dasselbe Zimmer, in dem wir gewohnt hatten, als wir zum ersten Mal hier gewesen waren: eine Suite in einem der kleinen Holzbauten, das Gärtnerhaus auf dem Gelände. Es gab eine Veranda, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Bad. Und ich machte mich sofort daran, alles für Norton komfortabel einzurichten. Damit er sich nicht bewegen musste, wenn er nicht wollte, stellte ich sowohl im Wohn- wie im Schlafzimmer Fress- und Wassernäpfe auf, machte dasselbe mit den Katzenklos und hängte den Infusionsbeutel im Badezimmer auf. Dann brachte ich ihn nach draußen, und wir saßen fast den ganzen Nachmittag im Schatten der Eiche auf der kleinen Holzbank. Ich machte das, was meine beiden Lieblingsbeschäftigungen auf dieser Reise werden sollten – ich las und ich weinte. Ich sollte Sie, glaube ich, warnen, dass Sie sich daran werden gewöhnen müssen, eine Weile sehr viel über mein Weinen lesen zu müssen, denn ich glaube nicht, dass ich auf dieser Fahrt einen einzigen vollständigen Satz herausbrachte, ohne abzubrechen und ein paar Tränen fließen zu lassen. Wie ich so auf der Bank saß und beides tat, mal das eine, mal das andere, manchmal beides auf einmal, saß Norton meistens bei mir, wanderte aber auch ein bisschen durch das hohe Gras. Er wanderte aber nicht zu weit. Wandern war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so sein Ding. Er erinnerte mich ein bisschen an Terry Malloy, die Figur, die Brando in Die Faust im Nacken spielt, wie er am Ende in das Lagerhaus geht, um die böse Gewerkschaft zu zerschlagen. Norton war unsicher auf den Beinen, er schwankte und lief meistens schief – aber wie Brando fiel er nie um. Dieser starke Wille, Sie wissen schon. Er war immer noch voll am Werk.
Ab und an sprang er im Laufe des Tages, wenn er mir nicht gerade Gesellschaft leistete oder auf Erkundung ging, von der Bank, schlich mit seinem merkwürdigen Gang umher, fand den perfekten Sonnenplatz, ließ sich nieder und döste. Wenn ich weder las noch weinte, sah ich ihm zu. Er sah so hübsch aus dort im Gras. Und weil er so klein geworden war, sah er für mich jung und gesund aus – als sei er wieder ein Kätzchen. Es war ein schöner Anblick: Norton im Gras, Schmetterlinge flatterten, überall zwitscherten Vögel. Es war eine so heitere Szene, wie man sie sich nur ausmalen konnte. Und es war friedlich. Norton war nicht krank. Nicht jetzt, nicht äußerlich. Er erbrach sich nicht. Er hatte keine Schmerzen. Er war einfach nur ruhig, wie er da in der Sonne saß.
Er schwand nur einfach dahin.
Ab und zu miaute er. Ein süßes Miau, überhaupt nicht schlecht gelaunt. Norton hatte ein typisches glückliches Miau – es war munter, trillernd, ein »brrrrr-brrrrr-brrrr«-Geräusch, wie ein Putt-Putt-Motorboot mit einem winzigen Hauch von schottischem Akzent –, und dies war definitiv sein glückliches Miau. Ich glaube, diese Miaus sollten mir sagen, dass ich das Richtige getan hatte.
Wir blieben zwei Tage auf der Sweetwater Farm. Abends gingen wir in den Gemeinschaftsraum im Haupthaus. Ich spielte bis in die frühen Morgenstunden Poolbillard auf dem roten Filztisch, während Norton in dem gemütlichen Ohrensessel saß, auf einer dicken Decke mit dem Bild eines Polospielers, und mir zusah. Aber fast von Stunde zu Stunde, den ganzen Tag und die ganze Nacht, konnte ich zusehen, wie er immer ein bisschen weniger wurde.
Trotz der zwei Infusionen pro Tag hatte Norton jetzt nicht mehr häufig Verdauung. Ich verstand mittlerweile genug von Tiermedizin, um zu wissen, was das bedeutete. Sein gesamter Organismus versagte. Er war nicht mehr in der Lage, die Krankheit – genauer gesagt, die Krankheiten –
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