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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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sich selbst auf Kosten anderer zu machen, um jeden Preis Recht haben zu wollen, unerfüllbare Versprechungen zu machen. Wer über Benzinpreise redet, muss auch über Verkehrspolitik der Zukunft, über Umwelt und über Weltfrieden in Zeiten der Ressourcenkriege reden.
VERDUMMUNG PRAKTISCH
    Seit 2001 engagiere ich mich in der Bürgerinitiative »Pro Elbe«. Wir versuchen ihren Ausbau zu verhindern und die ökologischen Folgen abzuwenden, die damit verbunden sind. Wieder gehöre ich zu den Spinnern, dieses Mal zu den »Elbefreundchen«, die von der Ökonomie nichts verstünden und sich sogar gegen ökologische Wasserstraßen richten würden. Dabei gehöre ich zu denen, die wollen, dass die Schifffahrt möglich bleibt, aber eine, die sich den natürlichen Gegebenheiten anpasst und nicht umgekehrt die Natur wirtschaftlichen Interessen unterwirft. Die Natur schlägt zurück, wenn wir ihre Gesetze missachten, also sollten wir lernen, mit ihr zu leben, uns als einen Teil der Natur zu begreifen. Ich will, dass wir die am Flusslauf der Elbe entstandenen Biotope schützen, nur dann wird diese Landschaft in ihrer Großzügigkeit, Einmaligkeit, Vielfalt und Ruhe, in ihrer Schönheit und in ihrer Nützlichkeit für den Menschen, für alle Tiere und Pflanzen erhalten bleiben. Was andere belächeln, das will ich: der Ver achtung aus menschlicher Herrschaftsarroganz widersprechen und praktisch widerstehen. Dazu gehört Achtung auch vor den Fröschen. Ich lebe 68 Jahre an der Elbe, bin seit der Kindheit mit ihr verbunden. Mir ist nicht entgangen, wie Maßnahmen, die 150 oder 50 Jahre zurückliegen, sich bis jetzt auswirken. Viele der Auengewässer sind inzwischen ganz oder fast ausgetrocknet, jeder kann die freiliegenden Baumwurzeln sehen. Als die Bagger vor den Toren Wittenbergs anrückten und begannen, 30 000 Tonnen Steine in den Fluss zu kippen, ahnte ich, was geschieht. Im offiziellen Sprachgebrauch der zuständigen Behörden werden die Veränderungen heruntergespielt, verwischt oder geleugnet: Es handele sich um »völlig normale«, »ökologisch verträgliche«, »punktuelle«, »engstellenorientierte« und vor allem »behutsame Unterhaltungsmaßnahmen«.Manchmal ist von »Sanierungsarbeiten« die Rede, vom »Aufholen eines Baurückstandes«, von der »Wiederherstellung desolater Bauwerke«, die »lediglich« an einem Viertel der Flusslänge – also an 150 Kilometern – nötig seien. Ich musste mit ansehen, wie an einem noch außergewöhnlich naturnahen Strand der Elbe auf einer Länge von nur 600 Metern 30 000 Tonnen Schotter in den Fluss gekippt wurden. 30 große Schiffsladungen wurden in den Fluss versenkt – natürlich »behutsam«.So ganz nebenbei wurden ganz »umweltverträglich« die Sandstrände und die Flachwasserzonen, in denen die Jungfische aufwachsen, durch einen Schotterwall vom Fluss getrennt, die Kiesbänke – die Laichplätze der Flussfische – mit Schotter zugekippt. Auch die wichtigsten Aufenthaltsorte der ausgewachsenen Fische – die tiefen Kolke – wurden eingeebnet. Durch den Verbau dieser immensen Schottermengen wird der Fluss eingeengt, und er tieft sich weiter ein. Der Wasserspiegel wird weiter fallen. Dasselbe passiert an der Elbe bei meiner Heimatstadt Werben. Ich habe oft eine ohnmächtige Wut. Ich suche nach den flachen Uferstellen, an denen ich in meinen Kindheitstagen geangelt und gebadet habe, und sehe, wie im Laufe der Jahre die Auen immer mehr austrocknen, wie Altwässer und Weiher verlanden. Ich richte Eingaben, Briefe, Proteste an Verantwortungsträger im Land und im Bund. Die Mitglieder der »Pro Elbe«-Gruppe schrieben gemeinsam an den Bundesumweltminister. In einer großen symbolischen Aktion schickten wir 2002 außerdem etwa 50 Pakete mit je einem schweren Schotterstein an ihn und blieben ohne jede Antwort.
    Naturpredigt im Klostergelände Drübeck, 2007
VOM ÄNDERN UND BESSERN
    Seit wir Demokratie üben, besorgt mich die Apathie der großen Mehrheit: diese Gleichgültigkeit gegenüber demokratischer Mitbestimmung und Mitverantwortung, wenn es nicht unmittelbar wie bei der geplanten Route einer Umgehungsstraße um eigene Interessen geht. Viele stimmten mir zu: »Sehr gut so, sehr gut so!«, riefen sie mir zu, als ich dagegen protestierte, dass dreizehn große Linden im Umfeld des Lutherhauses gefällt werden. Ich schrieb einen Leserbrief und wartete vergeblich darauf, dass sich auch andere Wittenberger äußern.
    Luther schrieb über Ändern und Bessern der Verhältnisse:

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