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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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›Revolution‹ führen. Der Kampf um die Demokratie mit allen Demokraten und allen demokratischen Mitteln verbindet uns.« In der Sorge, »dass Einfluss-Reiche immer mehr die deutsche Politik bestimmen«, schrieb ich, dass Demokratie für mich auch bedeute, »nach einem fairen Interessenausgleich zu suchen und Zusammenarbeit mit allen Demokraten für möglich zu halten. Dazu zähle ich die Mehrzahl der Mitglieder der aus der SED hervorgegangenen PDS … Ich möchte Menschen nicht prinzipiell beim Aufbau unserer Demokratie ausschließen, deren Denken sich innerhalb dieser Zeitläufe gewandelt hat. Wandlungsfähigkeit gestehe ich früheren SED-Mitgliedern genauso zu wie Mitgliedern der ehemaligen Blockparteien … Viele von ihnen waren peinlich getreue Vasallen der SED-Politik. … Ich fürchte nicht, dass die Bundesrepublik durch eine kleine Gruppe innerhalb der PDS gefährdet ist, sondern dass die sozialen Verwerfungen zu psychologischen und politischen Turbulenzen führen können. Mir machen die GlatzköpfeAngst, die gestern einen schwarzhäutigen Menschen am Bahnhof in Wittenberg zusammengeschlagen haben.« Viele wagten nicht mehr, nach 17 Uhr in Personenzüge zu steigen, »weil rechtsradikale Gruppen dort ihren (Psycho-) Terror« ausübten. Mein Brief endete mit dem Satz: »Die Briefe, die ich in letzter Zeit bekommen habe, fördern nicht gerade den Nachtschlaf. Sie stammen aus rechten Kreisen.«
    Hass-Botschaften waren in der Tat nicht harmlos. Sie beschäftigten mich sehr. Ein anonymer Schreiber drohte mir im Januar 1997, wenn ich – die Schreiber duzten mich alle – meine »Hass-Tiraden gegen alles, was nicht zu Sozialisten und Kommunisten gehört«, nicht unterließe, dann werden »wir bei dir demnächst mal gewaltig aufräumen!!«. Eine Gruppe namens »Rache des HERRN«/ »TOD für Ketzer« schrieb mir als »liebem Bruder in Christo«, man sei unzufrieden mit mir, weil ich gotteslästerlich »mit Kommunisten und Atheisten« paktieren würde. Die Gruppe verlangte von mir ultimativ Buße und öffentliches Schweigen. Andernfalls betrachteten sie mich »als unverbesserlichen Ketzer, der aus unserer Gemeinde ausgerottet werden muss. … Gedenke des Jan Hus. Sei versichert, Ketzer verdienen den TOD und werden ihn mit Christi Hilfe auch erfahren!« Anonyme Drohanrufe waren an der Tagesordnung. Damals gab es in Wittenberg eine sogenannte »Kameradschaft Elbe-Ost«. Vor meiner Tür stand immer wieder ein Pkw mit vier jungen Männern, die mich regungslos anstarrten, vor allem, wenn ich nachts aus der Akademie nach Hause kam. Ich schaltete schließlich die Staatsanwaltschaft Dessau ein und übergab Briefe und Aufzeichnungen des Anrufbeantworters. Der Spuk war damit sofort zu Ende. Merk-würdig.
    Die Presse berichtete über die Verlautbarung mal nüchtern, mal emotionalisiert. Es gab eine »Berliner« Gegenerklärung, viel Kritik, aber auch Zustimmung. In den Leserbriefspaltentobte der Volkszorn. In der »Welt« behauptete ein Schreiber, dass »Schorlemmer und Konsorten … nicht mehr ganz richtig« ticken würden. Ein anderer bezeichnete uns als »verkommen«, als »ebensolche geistigen Brandstifter wie Goebbels oder Ehrenburg«. Selbst in der Lokalpresse setzte ein Kesseltreiben gegen mich persönlich ein. Auf der Titelseite des »Freizeit Magazin« – ein damals in hoher Auflage kostenlos in Wittenberg und Umgebung verbreitetes Anzeigenblatt – fand sich ein ganzseitiges Foto von mir unter der Schlagzeile: »Wer schützt Deutschland vor den pastoralen Spinnern?«
    Im selben Blatt wurde einige Tage später ein offener Brief von einem mir unbekannten Franz-Joseph Granderath aus Bonn abgedruckt, der mir Geckenhaftigkeit und Geldgier vorwarf und sich schließlich zu dem schon bekannten Vergleich verstieg: »Man kennt sie, diese Pastoren und Pfarrer in der Politik! In SA-Uniform trat einst Bischof Tausch, Freund Adolf Hitlers, in einem Feldgottesdienst im Berliner Stadion auf …« Es verwies auf weitere Bischöfe, die in KZs gesprochen, zum Hassen und Töten angestachelt hätten. In diese Reihe rückte er offenbar auch mein Engagement, prophezeiend, dass die Erfurter Erklärung bald vergessen sein würde.
    Aber das passierte nicht. Die einen hofften sehr, dass die Erklärung politisch wirksam würde, die demokratische Linke sich einigt und Freiheit und Sozialstaatlichkeit für alle Bürger erlebbar würden. Große Hoffnungen knüpften sich daran. Deutschlandweit. Andererseits wurde uns publizistisch unterstellt, wir

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