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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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objektiven undwahrheitsgemäßen Informationen abschöpfe«, stellte das MfS fest. Man registrierte auch mein »solidarisches Verhalten« zur Umweltbibliothek in der Berliner Zionskirche.
    Zum zweiten Jahrestag des Unglücks von Tschernobyl sandte unser Gesprächskreis eine weitere Eingabe, diesmal an Willi Stoph, den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR.
    Auch auf der Synode der Evangelischen Kirche der Union wirkte ich am 25. Mai 1986 an einer Entschließung mit, darin hieß es: »Kernkraftwerke wurden von ihren Befürwortern bisher als sicher bezeichnet. Trotzdem ist das als unwahrscheinlich Geltende eingetreten.
    Wir stehen ratlos vor den bis heute schwer greifbaren Kurz- und Langzeitwirkungen der Strahlungen. Angst und große Unsicherheit greifen um sich. … Wir sind an Grenzen gestoßen. Wir dürfen nicht mehr alles tun, was wir können, wenn wir dem Auftrag, die uns anvertraute Erde zu bebauen und zu bewahren, gerecht werden wollen.
    Wir dürfen … irreparable Schäden nicht auf künftige Generationen abwälzen.«
    Der Synodalausschuss meiner Landeskirche wurde nach unseren Protesten gegen den KKW-Bau in Arneburg zu einem Sachgespräch ins Gästehaus des Rates des Bezirkes Magdeburg eingeladen – je zehn Vertreter, sachlich und »auf Augenhöhe«. Morsleben, wo seit 1971 in einer stillgelegten Schachtanlage zur Kali- und Salzgewinnung Abfälle aus Kernkraftwerken deponiert wurden, sei als Endlager sicher, die Kontrollmaßnahmen für das im Bau befindliche KKW Stendal hinreichend, beteuerten die Experten. Der Weiterbau des KKW Stendal wurde nach 1990 gestoppt. Die 1986 erteilte unbefristete Dauerbetriebsgenehmigung für die Erfassung und Endlagerung schwach- bis mittelradioaktiver Abfälle in Morsleben wurde jedoch erst 1991 nach Einwänden eines Umweltverbandes per Gerichtsbeschluss aufgehoben. Von1994 bis 1998 hat man dort wieder radioaktive Abfälle eingelagert. Inzwischen beantragte das Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung zur Stilllegung beim zuständigen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. Damit Mensch und Biosphäre in Zukunft nicht gefährdet werden, müssen umfangreiche Baumaßnahmen in der Anlage durchgeführt werden.
    Meine Zweifel an »Experten«, die von Lobbyisten gesteuert und bezahlt werden, sind seither noch gestiegen. Interessengeleitete Urteile sind stets fragwürdig. Bereits vor 26 Jahren war erkennbar, dass es eines grundlegenden Umsteuerns in Energiefragen bedarf. Ich kann jede unserer früheren Forderungen wieder unterschreiben.
    Unsere damaligen Eingaben zeigen, was unter den Augen der Stasi möglich war, was wir trotz Stasi gesagt und wie wir uns gegen die totalitären Machtansprüche der SED auf verschiedenen Ebenen gewehrt haben. Es ist heute ein sehr verbreiteter Irrglaube, dass nur das wirklich und nur das wichtig war, was die Stasi registriert hat. Was wir – auch als evangelische Kirche – trotz Repressionsapparat freimütig gesagt und gewagt haben, geleitet von wachem Gewissen, sollte weder vergessen noch idealisiert werden, denn Angst, Versagen, geflissentliches Schweigen, Kalkül oder diplomatische Rücksicht waren immer mit im Spiel. Nachholende Wut auf das überwundene System ist oft schlicht Ausdruck der Feigheit, sich damals fehlenden Mut zuzugestehen. Die Wahrheit zu sagen bedarf nicht nur in einer Diktatur einer tänzelnden List, will man nicht an halsbrecherischer Konsequenz zugrunde gehen.
    Angela Merkel hat zuvor die vereinbarte Laufzeit aufgehoben, sich dem Druck der Energielobby gebeugt. Dann ist sie unter dem Schock der Katastrophe von Fukushima und der öffentlichen Proteste umgeschwenkt. Dennoch sag ich: Das war mutig. Das braucht Umdenken und Umsteuern.
»UNSERE ZUKUNFT HAT SCHON BEGONNEN«
    Im Juni 1987 habe ich in Mölbis den dritten Umweltgottesdienst gehalten, der von dem seit 1983 aktiven Christlichen Umweltseminar Rötha (CUR) organisiert wurde. In diesem Ort in unmittelbarer Nachbarschaft des riesigen Braunkohlekraftwerks Espenhain war die Schadstoffbelastung extrem hoch. Ich war entsetzt. Die Gruppe um Pfarrer Steinbach versuchte die gesammelten Umweltdaten durch Dokumentationen und Schautafeln öffentlich zu machen, obwohl das in der DDR verboten war. Neben den Umweltgottesdiensten fanden Diskussionsforen und öffentliche Podiumsgespräche statt, zu denen auch Vertreter des Rates des Kreises und der Kirchenleitung eingeladen waren.
    Der Vorbereitungskreis fragte 1988 wieder bei mir an. Ich sagte trotz

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