Klara Fall, der Lakritzräuber und ich
Morgen erwachte, war der Platz neben mir leer und Mama weg. „Bin im Baumarkt“ stand auf dem Zettel, den sie neben meinen Teller gelegt hatte. Auch gut. Irgendwie war ich froh, mal in der neuen Wohnung allein zu sein. Ich ging von Zimmer zu Zimmer und sah mich um. Mama hatte ganz schön viel geschafft in den letzten Tagen. So übel sah es gar nicht mehr aus. Und sie hatte Recht: Der Blick hier raus war wirklich schöner als der aus unserer alten Wohnung in der Stadt.
Ich nutzte die Gunst der Stunde und machte mir zwei Brote mit extradick Nugatcreme. Dann fläzte ich mich damit vor den Fernseher (was Mama natürlich nie erlaubt hätte). Es gab eine Detektivsendung, die wie ein echter Fall wirken sollte. Das war vielleicht ein Schwachsinn! Ein Detektiv mit einem merkwürdig gezwirbelten Schnurrbart, für dessen Styling er bestimmt jeden Morgen eine Ewigkeit brauchte, deckte im Handumdrehen die allerschwierigste Fälle auf. Und der Täter war nie der, der zu Anfang unter Verdacht gestanden hatte. Also, mit der Realität hatte das nicht das Geringste zu tun, entschied ich. Schließlich war ich ja inzwischen eine Art Experte.
Als Klara mich mittags zu Poldis Gassirunde abholte, war ich schon gespannt wie ein Flitzebogen. Endlich würde ich erfahren, was sie vorhatte! Aber noch schwieg sich Miss Marple junior aus. Einträchtig trabten wir nebeneinander her zu Mischa Neuberts Behausung und klingelten.
Kaum hatte sich die Tür einen Spalt breit geöffnet, drängte sich Zottelpoldi bereits ungeduldig an seinem Herrchen vorbei, um uns – na ja, also eigentlich mich – begeistert zu begrüßen. Mischa suchte im Flur nach der Leine. Als er sie endlich gefunden hatte und Klara in die Hand drücken wollte, lächelte sie verlegen. „Entschuldigung, Herr Neubert, aber … dürfte ich wohl eben mal bei Ihnen zur Toilette gehen? Das hab ich zu Hause ganz vergessen …“
Überrascht sah ich Klara an. Was sollte das denn jetzt? Sie hätte doch auch bei uns noch rasch aufs Klo gehen können! Auch Mischas Blick war misstrauisch geworden.
„Bitte! Ich beeil mich auch!“ Klara setzte wieder ihr Wimpernklimpern ein und presste demonstrativ die Beine zusammen.
Anscheinend fiel Mischa auf die Schnelle kein guter Grund ein, Klaras Bitte abzuschlagen. Also trat er mürrisch zur Seite und ließ sie herein. „Dritte Tür links!“
„Danke!“, flötete Klara und huschte an ihm vorbei.
Ich wusste zwar nicht genau, warum. Aber mein Gefühl sagte mir, dass ich Mischa jetzt ein bisschen ablenken sollte. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf. „Wie lange haben Sie Poldi eigentlich schon?“, erkundigte ich mich hochinteressiert.
Mischa kratzte sich am Kopf. „Keine Ahnung, zwei Jahre oder so. War eigentlich der Hund meiner Mutter.“
Ich beugte mich zu Zottelpoldi hinunter, um ihn zu kraulen. „Er ist wirklich total süß“, zwitscherte ich, während Poldi selig meine Nase bearbeitete, die ich ihm heroisch zur Verfügung gestellt hatte. Mann, hatte der Hund Mundgeruch! „Vor allem diese kleinen Ohren!“, säuselte ich. „Und die Schnauze! Was ist er eigentlich für eine Rasse?“
Mischa zuckte mit den Schultern. „Irgend so ein Mischling …“ Er wandte sich ungeduldig um. „Wo bleibt denn deine Freundin so lange?“
Ja, verdammt, wo blieb Klara?! Mir fiel langsam wirklich nichts mehr ein, worüber ich mit Zottelpoldis Herrchen quasseln konnte.
„Haben Sie … äh … haben Sie was dagegen, wenn wir Zottelp… äh … Poldi ein paar kleine Kunststücke beibringen?“, fragte ich.
„Kunststücke?“, echote Mischa verwirrt.
„Ja, wir könnten ihm zeigen, wie man … äh …“ Mist, jetzt fiel mir nichts ein. „… wie man durch einen brennenden Reifen springt, oder so.“ Himmel, was redete ich denn da für einen Unsinn zusammen?!
Tatsächlich sah mich Mischa an, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf. „Nee, nee, das lasst mal lieber sein!“ Er wandte sich um. „Ich guck jetzt mal, wo das Mädel bleibt …“
„Äh, warten Sie!“, rief ich. Aber zum Glück kam Klara da schon. Endlich! Mir fiel ein mittlerer Felsbrocken vom Herzen. Eilig verabschiedeten wir uns von Zottelpoldis Besitzer und zogen ab.
„Was sollte das denn?“, zischte ich, als wir in sicherer Entfernung waren. „Du musstest doch nicht wirklich aufs Klo, oder?“
Klara schüttelte grinsend den Kopf. „Nö!“
„Was hast du also gemacht?“
Sie blieb stehen und strahlte mich triumphierend an. „Ich hab den Riegel
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