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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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wäre, ich grabe selbst an der Stelle, an der ich Isabel gesehen habe. An die Möglichkeit, dass sie dort nicht liegt, will ich gar nicht denken. Denn wenn das so ist, kann ich mich gleich in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie einweisen lassen.
    Ich steige gerade aus der Straßenbahn, als mein Handy losdudelt. Vor lauter Schreck mache ich eine fahrige Bewegung. Das Display meldet: Anruf von unbekannt. Misstrauisch gehe ich dran.
    »Ja bitte?«
    »Spreche ich mit Sabine Kroese?«, sagt eine mir unbekannte Frauenstimme.
    »Ja.«
    »Hier ist das Gemini-Krankenhaus in Den Helder. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Herr de Ruijter gestern um die Mittagszeit bei uns eingeliefert wurde.«
    »Wie bitte?«, sage ich verständnislos. »Bart ist im Krankenhaus?«
    »Bart de Ruijter, genau. Er hatte einen schweren Autounfall.«
    »Aber … aber … wie geht’s ihm jetzt? Was hat er? Er kommt doch hoffentlich durch? Und warum rufen Sie mich erst jetzt an?«, stammle ich völlig außer mir.

    »Selbstverständlich sind seine Angehörigen gestern sofort benachrichtigt worden, und sie waren schon hier, aber heute Morgen hat Herr de Ruijter dann nach Ihnen gefragt. Es wäre gut, wenn Sie rasch kommen könnten«, sagt die Krankenschwester oder Ärztin oder was auch immer sie ist.
    »Danke«, sage ich wie benommen. »Ich mach mich gleich auf den Weg. Ist es sehr schlimm? Sie haben mir noch gar nicht gesagt, wie’s ihm geht!«
    »Er hat mehrere Knochenbrüche und eine schwere Gehirnerschütterung, Frau Kroese. Heute Morgen war er stabil, aber wir machen uns Sorgen …« Sie bricht ab, um mir dann den Gnadenstoß zu versetzen: »Nachdem er nach Ihnen gefragt hatte, hat er das Bewusstsein verloren. Und er ist noch nicht wieder zu sich gekommen.«
     
    So schnell ich kann, renne ich zum Hauptbahnhof. Mit einem Sprint erreiche ich gerade noch den Zug nach Den Helder. Im Abteil wird mir klar, dass ich gar keine Fahrkarte habe. Eine Stunde lang sitze ich nägelbeißend zwischen wummernden Diskmans und raschelnden Zeitungen und könnte vor lauter Frust schreien, als der Zug kurz vor Anna Paulowna mitten auf der Strecke stehen bleibt. Zehn nervtötende Minuten lang, dann fahren wir weiter, ohne dass eine Erklärung für den Aufenthalt durchgesagt wird. Endlich kommt der Zug dann doch quietschend in Den Helder zum Stehen. Ich bin als Erste an der Tür, springe raus und renne zum Busbahnhof.
    »Fahren Sie zum Gemini-Krankenhaus?«, frage ich einen Fahrer.
    »Nein«, sagt er und deutet auf einen Bus, der eben losfährt. »Den hätten Sie nehmen müssen.«
    Ich könnte schreien! Voller Ungeduld mache ich mich auf die Suche nach einem Taxi und lasse mich in die Klinik fahren.

    Bei der Information frage ich nach Bart de Ruijter. Eine Dame erklärt mir, wie ich zu seiner Station komme. Es ist ruhig in der Klinik; die Besuchszeit hat noch nicht angefangen. Ich haste zum Lift und danach durch endlose weiße Flure. Vor Jahren, als mein Vater hier lag, bin ich denselben Weg gegangen. Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal voller Sorge durch diese Flure eilen würde?
    Zimmer 205, Zimmer 205. Mein Blick gleitet über die Schilder an den Türen. Da sehe ich Barts Namen und bleibe stehen.
    Vorsichtig mache ich die Tür auf und stelle mich auf Schläuche, Röhrchen und Infusionsbeutel ein – auf ein leeres Bett in dem Einzelzimmer bin ich absolut nicht gefasst. Völlig verwirrt kontrolliere ich noch mal das Türschild. Ich habe mich doch nicht etwa geirrt? Doch da steht wirklich sein Name. Aber wo ist er? Was ist passiert?
    Ich renne in den Flur und spreche eine Krankenschwester an. »Ich möchte Bart de Ruijter besuchen, aber sein Zimmer ist leer, wo ist er?«
    »Wer sind Sie denn?«, fragt die Krankenschwester.
    »Sabine Kroese. Ich bin heute Mittag benachrichtigt worden.«
    Die Schwester schaut auf ihrem Klemmbrett nach. »Herr de Ruijter wurde gestern Vormittag von einem Auto angefahren, als er die Straße überquerte. Den Umständen entsprechend ging es ihm recht gut, er war sogar ansprechbar, aber heute Morgen hat er auf einmal das Bewusstsein verloren. Gerade wird ein MRI-Scan gemacht. Sobald wir mehr wissen, bekommen Sie Bescheid.«
    Sie nickt mir freundlich zu und geht weiter. Niedergeschlagen stehe ich da. Irgendwo in der Nähe höre ich unterdrücktes Schluchzen. Ich schaue zur Seite, ins Wartezimmer, und sehe eine blonde Frau. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir;
ihre Schultern beben. Neben ihr steht ein Maxi-Cosi mit einem

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