Klassentreffen
wieder voll da! Nach dem Wochenende fällt es mir zum ersten Mal nicht schwer, zur BANK zu gehen, und ich arbeite genauso gern wie früher, als mir Jeanine noch gegen übersaß. Sogar Wouter fällt das auf. Er lächelt mir wieder zu und macht ab und an einen Scherz, was man bei ihm als Ausdruck höchster Wertschätzung auffassen darf.
»Ich wollte, Renée käme nicht mehr wieder«, sage ich zu Zinzy.
Wir stehen im zehnten Stock und essen ein Mars.
»Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern«, sagt Zinzy, »aber irgendwann ist sie wieder da.«
»Bis dahin hat sich für unsere Sekretariatsleiterin so einiges verändert.«
»Faktisch bist du jetzt die Leiterin. Schließlich arbeitest du am längsten von uns allen hier.«
»Zinzy, diese Position gibt es überhaupt nicht. Das hat mir Ellis aus der Personalabteilung selbst gesagt. Renée bekommt dafür keinen Cent mehr, und es ist auch nichts vertraglich festgelegt. Vermutlich hat sie Wouter damit genervt, dass wir eine Sekretariatsleiterin brauchen, und damit sie sich während meiner Abwesenheit ordentlich ins Zeug legt, hat er sie einfach dazu ›ernannt‹.«
»Sie hat sich also bloß aufgespielt. Du hättest dich gleich zu Anfang wehren sollen.«
»Ich wollte keinen Streit. Das war blöd von mir, stimmt schon. Aber noch ist es nicht zu spät.« Ich werfe das Mars-Papierchen in den Abfalleimer und sehe Zinzy vielsagend an.
Die Woche vergeht wie im Flug, und am Freitagnachmittag bin ich fix und fertig. Die anderen haben sich schon im Sekretariat eingefunden, weil um vier der übliche Abteilungsumtrunk anfängt. Zwei Kollegen sind Bier, Wein und Salzgebäck holen gegangen, die anderen sitzen herum und quatschen. Es ist lange her, dass ich am Freitagsumtrunk teilgenommen habe. Als ich noch halbtags gearbeitet habe, war das sowieso nicht drin, und früher habe ich mich um diese Zeit meist im Archiv zu schaffen gemacht. Und sogar zwischen den staubigen Aktenordnern am anderen Ende des Flurs konnte ich hören, wie Renée das große Wort führte.
Bilde ich mir das nur ein, oder wirken manche von den Kollegen jetzt entspannter und lockerer? Ich selbst bin eher still. Die lange, anstrengende Arbeitswoche fordert ihren Tribut, und ich schlage die Einladung, nachher noch mit in die Kneipe zu gehen, mit Bedauern aus. Heute Abend gehe ich früh schlafen, so viel steht fest.
Als ich gerade gehen will, kommt Olaf ins Sekretariat. Sein Blick sucht meinen, und er kommt strahlend auf mich zu.
»Na, wollen wir heute Abend einen draufmachen?«, fragt er.
»Ehrlich gesagt, hab ich nicht vor, einen draufzumachen«, sage ich, während ich meine Tasche packe. »Ich will heute Abend früh ins Bett.«
»Früh ins Bett? An einem Freitagabend?«, sagt Olaf missbilligend.
»Warum kann ich nicht auch mal freitagabends früh schlafen gehen, wenn mir danach ist?«
Olafs Miene verfinstert sich. »Ich wollte eigentlich ins Paradiso«, sagt er leicht gedrückt.
»Dann geh ruhig«, sage ich auf dem Weg zur Tür. »Du brauchst doch nicht auch früh schlafen zu gehen.«
Er folgt mir in den Flur. Dort hält er mich fest, drückt mich an die Wand und schiebt seine Hand unter meine Bluse. »Wenn ich’s mir recht überlege, ist früh schlafen gehen genau das Richtige«, murmelt er, den Mund an meinem Hals.
Verschämt sehe ich mich um. Das überlebe ich nicht, wenn ausgerechnet jetzt jemand von den Kollegen in den Flur kommt. Zumal sich Olaf inzwischen an meinen Blusenknöpfen zu schaffen macht.
»Olaf, lass das! Wir sind hier im Büro!« Peinlich berührt schiebe ich ihn weg und knöpfe mir die Bluse wieder zu.
»Na und? Wenn das jemanden stört, soll er eben woanders hingucken«, meint Olaf und beginnt mich so leidenschaftlich zu küssen, als lägen wir zusammen im Bett und müssten auf niemanden Rücksicht nehmen. Das passt mir ganz und gar nicht. Mag sein, dass ich mir manchmal zu viele Gedanken darüber mache, was andere von mir halten, aber im Büro will ich mich nicht so gehen lassen.
Anfangs versuche ich noch, mich vorsichtig aus Olafs Umarmung zu lösen, aber als er mich nur noch fester umklammert, beiße ich ihm in die Lippe.
»Verdammt! Du blöde Kuh!«
Sofort bin ich frei und fange im selben Moment eine schallende Ohrfeige. Erbittert starren wir uns an. Olaf wischt sich das Blut von der Lippe und sagt ruhig: »Tut mir Leid, aber das hast du provoziert.«
»Provoziert? Ich hab dir ganz klar zu verstehen gegeben, dass du mich loslassen sollst. Du hast das provoziert!«,
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